Edvard Munch
in der Albertina
Edvard Munch
in der Albertina
Albertina Ausstellung
Edvard Munch im Dialog
Edvard Munch im Dialog
Ausstellung in der Albertina
bis 19. Juni 2022
Diese Ausstellung hat nicht nur wundervolle und einschlägige Arbeiten Edvard Munchs in der Präsentation – nein: darüber hinaus wird der norwegische Künstler noch in den Dialog mit zeitgenössischen Künstlern wie Andy Warhol, Peter Doig, Georg Baselitz gesetzt. Spannend und ungewöhnlich!
Du findest hier Malerei und Druckgrafiken, Porträts und Landschaften, Bilder über Krankheit und das Leben!
Ein spannender Mix, den ihr nicht verpassen solltet, wenn ihr in Wien seid!
Albertina & Munch
Tickets
Wer war
Edvard Munch
Edvard Munch ist vielen sicher wegen seines wohl bedeutenden Werkes „Der Schrei“ bekannt. Nun, dieses finden wir in der Ausstellung leider nicht – dafür aber Interpretationen des Werkes von Andy Warhol! Und wir finden eine Version der „Madonna“, die zusammen mit dem Schrei entführt wurde, in dieser Ausstellung. Beide Werke haben es zum Glück wieder zurück in das Osloer Museum geschafft…
Edvard Munch (1863 – 1944) ist nämlich der vielleicht bedeutendste Maler Norwegens. Er war aber nicht nur Maler, er ist auch bekannt für seine Grafiken und Zeichnungen. Er fertige über 1700 Werke an, die dem Expressionismus zugeordnet werden können. Die Themen seiner Werke sind sehr autobiografisch – er verarbeitet in ihnen vor allem Gefühle der Liebe, Trauer und Tod. Denn Tod und Krankheit ziehen sich wie ein roter Faden durch sein Leben.
Zuerst verstarb seine Mutter an Tuberkulose als er erst 5 Jahre alt war, dann starb auch seine Schweste an dieser Krankheit. Edvard war auch kein Kind mit ausgeprägter Gesundheit – wahrscheinlich hatte er sogar eine Borderline-Persönlichkeitsstörung… Wie ihm postum nachgesagt wird.
Er studierte Kunst – vor allem die alten Meister und verbrachte mehrmals Zeit in Paris. Bei seinem ersten Besuch dort arbeitete er an dem Werk „Das kranke Kind“, mit dem er den Tod seiner älteren Schwester verarbeitet. Eine Version davon können wir in der Ausstellung in Wien sogar bewundern. Bei einem weiteren Besuch der Stadt erhielt er die Nachricht vom Tod seines Vaters. Und auch dieses Ereignis und die Gefühle fanden wahrscheinlich ihren Weg in ein Bild: die „Nacht in Saint-Cloud“ (1890) scheint dies zu verarbeiten…
Die Werke seiner Paris-Aufenthalte wurden in einer ersten Ausstellung in Deutschland gezeigt und es endete in einem Skandal! Man sah seine Werke als anarchistische Provokation an und die Ausstellung wurde frühzeitig beendet. Das war aber für ihn der Startschuss: er wurde dadurch bekannt und die Entscheidung in Berlin zu bleiben wurde getroffen (1892-96).
Ab 1902 wurde sogar noch beliebter – er stellte an mehreren Orten aus und die Künstlergruppe Die Brücke um Ernst Ludwig Kirchner versuchte ihn vergeblich als Mitglied zu gewinnen. Doch mit dem Erfolg versank Munch immer mehr in Alkohol und psychischen Ungleichgewicht. Hinzu kam die Trennung von seiner großen Liebe zu dieser Zeit. Trotzdem brachen die Malaufträge nicht ab – bis er nicht mehr konnte und für 8 Monate in eine Kopenhagener Nervenklinik ging.
Seit 1909 lebte Munch dann nur noch in Norwegen. Er hat sich schon immer auch der Porträtmalerei gewidmet – viele Aufträge hatte er dadurch erzielen können – und am Ende seines Lebens malt er sich auch immer mehr als Greisen, kranken Mann. Das können wir auch in der Ausstellung sehen.
Zu seinen Hauptwerken zählen „Der Schrei“, „Madonna“, „Vampir“, „Melancholie“, „Der Tod im Krankenzimmer“, „Der Tanz des Lebens“, „Das kranke Kind“ und „Der Kuss“.
Zur Ausstellung
Die Ausstellung gliedert sich in mehrere Bereiche. Das liegt daran, dass Munch als Vorbild für andere Künstler galt. Wir lernen also nicht nur 60 Werke des großen norwegischen Malers kennen, sondern auch zeitgenössische Künstler, die persönlich die Werke, die präsentiert werden sollen, ausgesucht haben: denn alle nehmen in ihrer Kunst Bezug auf Munch, thematisch oder künstlerisch. Er gilt als großes künstlerisches Vorbild und das wird hier besonders deutlich.
Die Künstler sind: Georg Baselitz, Peter Doig, Marlene Duma, Tracy Emim, Miriam Cahn, Jasper Johns und Andy Warhol. Gerade letzter nimmt Werke Munch als direktes Motive und verfremdet diese in seinen bekannten farbenfrohen Serien.
Infos zur Ausstellung:
nur noch bis 19. Juni 2022
Öffnungszeiten: Täglich, 10.00 – 18.00 Uhr, Mittwoch und Freitag bis 21.00 Uhr
Eintritt: 17,90 €
Munch und
die Frauen
In den ersten beiden Räumen lernen wir zunächst Munch kennen. Star dieses Raums, genauer gesagt erstes Werk, das man beim Hineingehen sieht, ist die berühmte „Madonna“.
Dieser Halbakt mit schwarzen Haaren, hellem Körper und roter Mütze/Glorienschein ist vor einem diffusen hellen Hintergrund gestellt. Von diesem Werk gibt es 5 Gemäldeversionen – hier sehen wir eine Version, die sich normalerweise in Privatbesitz befindet – und zwei Lithografien, die als Druckvorlage nun mehrfach in verschiedensten Museen zu finden sind. Eine davon werden wir später noch sehen.
Doch wer ist sie für Munch: Heilige Madonna? Eine Hure? Mutter? Verführerin?
Zunächst verlor er die wichtigsten Frauen in seinem Leben. Seine Mutter, seine Schwester? – Ergo: handelt es sich hier um eine Heilige? Eine Mutter?
Oder ist es doch eine Liebhaberin? Eine Hure? Denn er hatte ein schwieriges Verhältnis zu Frauen: Er wurde von der Leidenschaft angezogen, hatte aber auch Angst vor Ablehnung. Die Ehe an sich vermied er. Aber er war verliebt – sehr sogar und vor allem unglücklich. Die große Liebe endete sogar mit einem Pistolenschuss, die ihm seinen Mittelfinger kostete.
Das nächste wichtige Werk dieses Raums ist „Straße in Åsgårdstrand“. Das malerische Küstendorf wird hier gezeigt. Hier lebten verschieden Künstler, auch Munch kaufte sich 1898 ein Haus. Es ist das gelbe Haus, dass wir auf diesem Bild sehen. Heute ist es ein Museum.
Hier sehen wir Menschen auf verschiedenen Ebenen. In der Ferne und Nähe… sehr nah. Denn das Mädchen ist so weit nach vorne gerückt, dass wir sie noch nicht mal ganz zu sehen bekommen. Nur den großen Kopf, die Schultern und Ansätze des Oberkörpers. Die Menschen im Hintergrund wiederum sind so weit weg, dass man nichts mehr erkennen kann.
Die Mädchen in der Mitte sind ein Block, eine Gruppe. Das Mädchen im Vordergrund steht aber allein und schaut uns direkt an. Und auch wenn der Weg uns in das Bild hineinziehen soll, bleiben wir doch irgendwie an genau diesem Blick des Mädchens hängen.
Den Tod seiner Schwester Sophie verarbeitete Munch mit dem Werk „Das kranke Kind“. Davon gibt es sechs Versionen in Malerei, sowie verschiedene Druckgrafiken. In der Ausstellung in Wien sehen wir das Gemälde aus der Tate von 1907. Das erste Mal malte Munch seine Schwester aber 1885/86 in Paris. Das letzte Gemälde ist von 1927… Man sieht, er hat es nie wirklich verarbeitet.
Er arbeitete lange an diesem Werk. Zitat Munch: „Das Bild malte ich wiederholt im Laufe eines Jahres – kratzte es wieder aus – ließ es in Farben verfließen – und versuchte immer wieder, den ersten Eindruck einzufangen – die durchsichtig blasse Haut – den bebenden Mund – die zitternden Hände“. (Zitat auf Wikipedia – Sorry).
Als er es dann 1886 in Oslo ausstellte, gab es auch hier – genau wie dann später in Berlin – einen riesigen Skandal! „Kein Gemälde hat in Norwegen so viel Ärgernis erregt.“, behauptete Munch – und man glaubt es ihm. Denn im Saal soll „Geschrei und Gelächter“ geherrscht haben. Die Presse warf sich darauf wie ein wilder Haufen: von Schweinerei bis Humbugmaler waren alle möglichen Beschuldigungen dabei.
Trotzdem oder gerade deswegen war dieses Werk Munch bedeutendstes Werk, das ihm zum Durchbruch verhalf.
Zu sehen ist ein krankes Kind, das auf einem großen Kissen gebettet, mit einer Decke bedeckt, auf einem Sessel sitzt. Neben ihr kauert eine Frau (die Mutter) und kann dem Kind vor Traurigkeit wahrscheinlich nicht in die Augen blicken. Das Kind wendet sich der Lichtquelle zu (ein Fenster). Das Gesicht ist blass – durchsichtig fast soll es nach Munch sein. Mutter und Kind halten die linke Hand – dabei sieht es so aus, als seien diese ineinander verschmolzen – keine wirklichen Konturen sind an dieser Stelle zu sehen. Das Bild berührt einen, macht Angst und gibt auch Trost zugleich. Als Mutter möchte man den Platz nicht mit der Mutter im Bild tauschen!
Daneben werden in der Ausstellung zeitgenössische Künstler gezeigt. Sie haben die hier präsentierten Werke vor folgendem Hintergrund ausgesucht:
Miriam Cahn*
Sie wollte als Frau „Munch, Picasso und Goya sein“. Ein Künstler! „Absolut Frei! Wie ein Mann leben, aber nie Mann sein!“. In ihren Werken geht es um das Hinterfragen von Geschlechterrollen und gesellschaftspolitische Ereignissen. Sie ist in der Hinsichtlich aber ganz anders als Munch: Sie schreit das Leid aus, ist kämpferisch und zeigt mit dem Finger auf das Problem. Erst wenn man tiefer schaut, sieht man Ähnlichkeiten. Denn ihre Hintergründe sind leere, kaum definiter Räume – „atmosphärisch“ vereinfacht, wie bei Munch. Und auch ihre Figuren stehen als Stellvertreter, nicht als individuelle Menschen. Während Munch das aber eher melancholisch und leidend macht, ist Cahn zornig und voller Wut. Sie gehen denselben Weg, aber auf verschiedenen Straßen.
Peter Doig*
Seine Werke sind groß und ebenfalls sehr „atmosphärisch“ und sogar etwas „magisch“. Diese „namenlosen“ Landschaften sind aber auch irgendwie emotional taub und vor allem einsam. Sein Ziel war es, den Klang von Stille malerisch zu erfassen. Melancholie und Entfremdung sind weitere Ansatzpunkte: denn auch für ihn ist der Mensch im Grunde allein – das sieht Munch genauso. Das Werk „Echo lake“ ist dabei sogar unmittelbar auf Munch bezogen. Denn auch hier haben wir die malerische Vereinfachung: Bäume und Ufer sind nur schematisch dargestellt, die Spiegelung im Wasser ist unnatürlich glatt.
Tracy Emim*
Jetzt wird es intim: Denn die britische Künstlerin sagt nicht nur, dass sie Munchs Kunst seitdem sie 18 Jahre alt ist liebt – nein, sie liebe alles an ihm: seine Kleidung, seine Art zu schrieben und zu denken – sie sei „verliebt in sein Aussehen“. Sie seien verwandte Seelen, die durch die gleichen Höllen gegangen sind. Auch sie verarbeitet Erlebtes mit der Kunst. „I screamed, I kept screaming“ ist ein bedeutendes Werk: Schemenhafter Körper und blutrote Farbe, die zerrinnt. Denn sie erlebte als junges Mädchen Missbrauch und Gewalt.
Der Dialog
Die anderen Künstler
Georg Baselitz*
Der deutsche Künstler ist vorrangig wegen seiner Werke bekannt, bei denen die dargestellten Figuren auf dem Kopf stehen. Diese sehen wir auch hier in Wien.
Für Baselitz ist Munch ein großes Vorbild. Die Maltechnik ist ähnlich, aber vor allem das Thema der „Serie und Variation“ ist ihnen gleich. Munch schaffte immer wieder etwas Neues und entwickelt Gemälde weiter – das macht Baselitz auch und er nennt es ganz modern „remix„. Er nimmt aber auch direkten Bezug auf Munch: Er malte Porträts von Munch und in anderen Werken bezieht er sich auf Munchs „Schrei“ in dem auch er seine Figuren mit offenen Mündern zeigt.
Marlene Dumas*
Die südafrikanische Künstlerin behauptet, das Munch folgendes dachte: „Ich male nicht, was ich sehe – sondern das, was ich gesehen habe.“ Sie wiederum sagt: „Ich male nicht, was ich gesehen habe, sondern das, was das Gemälde mich sehen lassen will.“
Dumas befasst sich mit existenziellen Fragen: Der Mensch und seine Gefühlswelt. Die Zerbrechlichkeit der Figuren findet sich sowohl bei ihr als auch bei Munch wider. Gerade die Werke „Helena“ von Dumas und „Pubertät“ von Munch lassen sich hervorragend vergleichen. Beide zeigen uns sehr junge Frauen, sie sind nackt, beide bedecken die Blöße – Dumas rahmt sie mit einem schwarzen Feld ein, Munch stellt seinem Mädchen einen dunklen Schatten zur Seite.
Jasper Johns*
Er ist ein berühmter Vertreter der Pop-Art und des abstrakter Expressionismus. Seine Themen kommen aus dem Alltag, er zeigt die Macht der Medien und Symbole einer Gesellschaft. Sein bekanntestes Werk ist die amerikanische Flagge! Er studierte Munch und in der Ausstellung sehen wir eine Kaffeedose mit Pinseln, mit einem komischen Hintergrund – Schraffuren, die eigentlich aus dem Werk Munchs stammten. Munch benutze diese Schraffierung besonders auf der Darstellung von Bettdecken.
Bei einem weiteren Werk – wieder eine Kaffeedose – die diesmal auf einem blutrotem Arm steht bezohet er sich auf Munchs „Selbstporträt mit Knochenarm“.
*Es handelt sich hier um eine Zusammenfassung der Audioguide-Texte der Albertina.
Munch, seine Krankheiten
und das Alter
Als Kind war der Künstler viel krank. Während seines Lebens fürchte er immer die Grippe und als 1918 -1920 die Spanische Grippe um sich griff, steckte er sich natürlich an. Aufgrund der Spanischen Grippe starben weltweit zwischen 20 Millionen und 50 Millionen Menschen. Die Zahl kann schlecht festgelegt werden, da es sich wirklich um ein Massensterben handelte – kurz nach dem 1. Weltkrieg und ohne digitale Auffassung. Und ausgerechnet Munch war betroffen. Aber: Er hat – wie wir wissen – die Krankheit überstanden!
Aber natürlich wurde das zum Thema vieler Werke – und nicht nur Werke: auch in Briefen teilte er sich jedem mit, der es hören wollte oder nicht. Egal, ob Geschäftspartner oder Freunde: alle wurden ständig über seinen Zustand informiert. Einer nannte ihn sogar „hypochondrisch“…
Beim „Selbstporträt mir Spanischer Grippe“ von 1919 ist er bereits über den Berg und liegt nicht mehr in seinem Bett.
Aber auch andere Krankheiten fanden den Weg in seine Bilder: Als er 1930 mit 66 Jahren an einer Blutung im rechten Auge litt, wurde auch das zum Thema einiger Werke: mit „Gestörtes Sehen“ versucht Munch das zu zeigen, was er mit den Blutgerinnseln im Auge wahrnahm.
Das „Selbstporträt“ von 1940-43 zeigt ihn schließlich als alten Mann, mit Halbglatze und müden Augen.
Edvard Munch starb 1944 im Alter von 81 Jahren.
Dem Dialog mit Warhol widmet die Albertina den größten Platz und verknüpft dies mit den Druck-Arbeiten Munchs.
Aber warum hat Warhol sich so intensiv mit Munch beschäftigt?
Dieser befasste sich in den 1980er intensiv mit Munch. Er kaufte sogar 4 Werke von ihm. Die Galerie beauftragte ihn dann mit einer Munch-Serie. Entstanden sind seine bunten Serien des Schreis, Madonna, Selbstporträt und die Brosche – Eva Muddocci.
Leuchtende Farben verleihen den Werken einen neuen, modernen Ausdruck. Nachdem er sich den Helden der Konsumgesellschaft (Elvis, Marylin) gewidmet hat, nimmt sich Warhol ab 1963 auch die Kunstgeschichte vor. Der Grund: 1963 kam die Mona Lisa aus dem Louvre nach New York und die Stadt stand Kopf. Warhol war davon „amüsiert“ und fing so mit seiner Serie der Künstler an: neben Leonardo Da Vincis Mona Lisa, wählte er noch Sandro Botticelli, Picasso, Matisse und Edvard Munch aus.
„Der Schrei“, der Munchs berühmtestes Bild ist, durfte bei Warhol natürlich auch nicht fehlen. In dem Werk verarbeitet Munch eine Angstattacke, die er einmal während eines Spaziergangs hatte: während der abendlichen Uhrzeit vernahm er einen Schrei, der durch die Natur ging.
Munch &
Andy Warhol
Neben den offensichtlichen Adaptionen gehen Warhol und Munch noch eine Beziehung ein. Denn für beide sind die „weibliche Ikonen“ ein großes Thema und so stellt Warhol die Munch-Ikonen denen der Abbildungen von Marilyn Monroe oder Elisabeth Taylor gleich.
Anders als bei der Mona Lisa – die er so wie Marilyn oder Elvis in Reihen präsentierte, gibt es aber von den Werken Munchs „nur“ einzelne, voneinander gelöste Werke. Sie sind genauso farbenfroh – ja fast sogar noch greller, da er hier auch eine Art Neonfarben nutze. Aber es handelt sich eben nicht um dieselbe Art und Weise der Präsentation – trotzdem sind sie natürlich Hingucker!
Die „Eva Muddocci – Brosche“ zum Beispiel: Wer war aber diese Eva? Ihr Porträt hielt Munch 1903 fest. Sie war eine britische Geigerin und hieß eigentlich Evangeline Muddock (1883-1953). Sie arbeitete aber unter dem italienisierten Pseudonym Eva Mudocci. Es heißt, dass Munch sie im Frühjahr 1903 in Paris kennenlernte und sich in sie verliebte – allerdings beruhte dies nur auf Einseitigkeit.
Und auch Munchs „Madonna“ wurde von Warhol aufgegriffen: er stellt sie dem Selbstporträt von „Munch mit Knochenarm“ gegenüber. Er möchte uns dabei anregen über die gegensätzlichen Themen von Leben und Tod, Heiligen und Profanen nachzudenken. Dabei stellt die Madonna für Warhol die Mutter Christi dar – also das Leben/das Heilige und das Porträt mit dem Skelettarm, den Tod und das Profane.
Munchs
Lithografien
Im Bereich mit Warhol finden wir nun noch weitere wichtigsten lithografische Arbeiten Munchs. Da es sich hier um Serienarbeiten handelt, hat man eventuell schon mal den ein oder anderen Druck in anderen Museen gesehen. Da ich damals das Glück hatte im Städel Museum in Frankfurt zu arbeiten, ist mir der ein oder andere Druck schon einmal begegnet 😉 (Ausstellung von 2009)
In dieser kleinen Galerie seht ihr ein paar meiner liebsten Stücke:
Die „Madonna“ vom Anfang der Ausstellung, die auch von Warhol aufgegriffen wurde, wird in der Lithographie von einer Fötus-Darstellung begleitet. Diese Besonderheit kommt in den anderen Werken nicht vor. Der Wellenrahmen ist außerdem mit Spermien bemalt. Deswegen wurde dieser Druck auch „Die Empfängnis“genannt. Der Fötus und sein skelettartiges Aussehen verbinden hier den Tod mit dem Leben – denn Anfang und Ende sind immer in einem vereint.
Auch dem „Kranken Kind“ begegnen wir hier wieder: diesmal aber nur dem Kopf, der in schwarz-weiß und in einem Druck wiedergegeben ist.
Munch stellte sich regelmäßig in Selbstporträts dar – auch hier „Selbstporträt mit einem Knochenarm“, den Warhol ja auch aufgenommen hat. Wie bei der Madonna, wird dem Rahmen eine Besonderheit zugestellt: in diesem Fall der Knochenarm. Munch hat sich immer für die neusten wissenschaftlichen Techniken interessiert: Fotografie und auch die Radiologie: der Arm sieht deswegen so aus als würde es sich um ein Röntgenbild handeln.
In dem Werk „Die Gasse“ wurde Munch wohl von Theaterbesuchen in Berlin angeregt. Die Männer in Frack und Zylinder bilden eine Gasse, durch die eine halb nackte – nur mit einem hauchdünnen Kleid bedeckte – Frau läuft. Die „Tänzerin“ fühlt sich sichtlich bedrängt – das zeigt ihr Gesicht und auch die abwehrende Armhaltung. Munchs greift also mit der „Gasse“ ein heute noch aktuelles Thema auf: „Die Frau als Objekt der Begierde“.
Zuletzt möchte ich das Werk „Zwei Menschen – die Einsamen“ vorstellen. Das Motiv von zwei am Strand stehenden Menschen in Rückenansicht war für Munch ein wichtiges Bildmotiv, das er sowohl in Gemälde als auch im Druck darstellte.
Zu sehen ist eine weiß gekleidete Frau mit langen Haaren. Sie blickt hinaus auf das Meer und wirkt wie eine „Lichtquelle“ vor dem dunklen Grün des Meeres. Ihr nähert sich ein in schwarz gekleideter Mann. Aber er bleibt an einer Stelle stehen, geht nicht weiter auf die Frau zu – eine Stille entsteht. Ein Abstand, den der Mann nicht überwinden kann. Vielleicht eine unerfüllte Liebe? Das Ende einer Beziehung?
Wir können es in diesem Fall auflösen – denn es handelt sich um eine verbotene Liebesbeziehung. Und diese spielt in dem kleinen Künstlerort Åsgårdstrand, den wir schon kennengelernt haben. Munchs Freund Jappe Nilssen (zu der Zeit 21 Jahre alt) verliebte sich in eine ältere, verheiratete Frau – Oda Krohg. Ihr Mann war auch Maler und so waren sie den Sommer im gleichen Künstlerort. Diese unglückliche Liebe erinnerte Munch außerdem an einer seiner Liebesgeschichten mit einer älteren Frau – so fand das Motiv immer und immer wieder Platz in seinen Arbeiten.
Fazit
Es handelt sich hier um eine wirklich wichtige Ausstellung, die Munch und seine Auswirkung auf die zeitgenössische Kunst zeigt. Der Dialog ist gelungen und spannend!
Man lernt nicht nur mehr über Munch, sondern auch völlig neue Künstler oder Ansätze der bekannten Kunstikonen kennen. Das Warhol und Baselitz sich so sehr mit Munch befassten, war mir jedenfalls nicht bewusst.
Ich kann diese Ausstellung nur wärmstens weiterempfehlen!
Eure Céline
Text- und Bildrechte: © Céline Mülich, 2022
Mit Genehmigung der Albertina