Ai Weiwei
Albertina Modern
Ai Weiwei
Albertina Modern
Ausstellung
Ai Weiwei - In search of Humanity
Ai Weiwei – In search of Humanity
Ausstellung in der Albertina Modern
bis 4. September 2022
Ich weiß nicht mehr, wann und wie ich das erste Mal in Berührung mit Ai Weiweis Kunst kam. Ich weiß nur noch, dass ich 2014 ziemlich erfreut war, dass es eine Ausstellung in Barcelona zu sehen gab. Vor ungefähr 8 Jahren hatte ich also schon einmal das Vergnügen eine Ausstellung von Ai Weiwei zu besuchen.
Und als es mich 2022 nach Wien verschlug, war eins ganz klar: Ich musste unbedingt in die Albertina Modern, um mir die Ausstellung anzusehen! Dabei traf ich auf ein paar bekannte Werke, erhielt aber auch viele neue Eindrücke und konnte wieder einmal sehen, dass er immer versucht aktuell zu bleiben!
Mit diesem Artikel möchte ich dir die Kunst Ai Weiweis etwas näher bringen und einen ersten Rundgang durch diese tolle Ausstellung mit dir unternehmen!
Albertina Modern
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Wer ist
Ai Weiwei?
Seine Rolle als Aktivist und Kritiker autoritärer Systeme ist meist das, was einem als Erstes zu Ai Weiwei einfällt. Er eckt an, wird in China verfolgt, sucht Zuflucht in Deutschland, lässt sich dann aber auch negativ über Deutschland aus. Man kann sagen, dass Ai ein schwer zu fassender Mensch ist. Er sucht laut dieser Ausstellung – nach der Menschlichkeit – nicht nur in China, nein auf der ganzen Welt. Vielleicht, weil auch er immer wieder mit „Fremdenfeindlichkeit“ konfrontiert wird oder dass seine Kunst hinter seinen politischen Aktivitäten zurückfällt.
Seine Kunst ist systemkritisch, zeigt der Politik im wahrsten Sinne des Wortes den Mittelfinger. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, hat Kontakte zu Edward Snowden, zeigt auf, wenn die Regierung Fehler unter den Teppich kehren will oder wann die Meinungsfreiheit angegriffen wird. Und er macht auch nicht vor seinem persönlichen Schicksal halt: Er zeigt gerade in dieser Ausstellung ganz deutlich, was die Tage im chinesischer Gefangenschaft für ihn bedeutet haben!
Infos zur Ausstellung:
noch bis 4. September 2022
Öffnungszeiten: Täglich, 10.00 – 18.00 Uhr
Eintritt: 14,90 €
kurze Biographie
Ai Weiwei
Ai wurde 1957 in Peking geboren, ist heute also 65 Jahre alt. Er blickt auf ein bewegtes Leben zurück. So bewegt, dass ich an dieser Stelle nur auf die wichtigsten Ereignisse eingehen kann.
Er startet seine Kunst „ganz normal“ mit der Malerei – denn sowohl sein Vater war, bzw. sein Bruder ist noch ein bedeutender Maler Chinas! Also war es naheliegend, dass auch er den Weg der Kunst einschlug.
Er weitete sein Wissen aber bereits früh aus und schrieb sich 1978 an der Pekinger Filmakademie ein. Ein Jahr später war er ein Gründungsmitglied der Künstlergruppe Stars Group, die eine Kunst nach staatlicher Leitlinie ablehnte.
Ab 1981 lebte er für über 10 Jahre in den USA, wo er sich hauptsächlich auf die Performance- und Konzeptkunst fokussierte.
Ab 1994 gründete er – wieder zurück in Peking – eine Galerie für experimentelle Kunst, bei der er auch auf die chinesische Kulturrevolution Bezug nahm. Und damit startet dann so langsam seine politische Auseinandersetzung und die damit einhergehenden Bestrafungen.
Weil er sich unter anderem kritisch gegenüber dem Erdbeben in Sichuan oder dem Babynahrungsskandals (beides 2008) äußerte, wurde sein Blog gesperrt (2009), Polizeieinsätze folgten, die Räumung und der Abriss seiner Galerie wurde 2010/2011 gefordert. Es folgten Hausarreste bis hin zu einer Haft von 81 Tagen (2011): Er galt in der Zeit sogar als „verschwunden“.
Nachdem er wieder „auftauchte“ und freigelassen wurde, durfte er aber immer noch nicht reisen. Erst 2015 bekam er seinen Pass zurück und zog direkt nach Deutschland – er erhielt an der Berliner Universität der Künste eine Gastprofessur. In diesem Jahr erhält er einen bedeutungsvollen Preis: Botschafter des Gewissens (Ambassador of Conscience), eine Auszeichnung der Menschenrechtsorganisation Amnesty International.
Doch 2019 kehrte er Deutschland den Rücken, in dem er es scharf kritisierte. Als „intolerant“ und „unhöflich“ – er ging sogar so weit zu sagen: „Nazismus existiere im Alltag in Deutschland“. Die deutsche Pressewelt nahm dagegen Stellung und der zuvor heiß geliebte Überflieger verlor an Ansehen.
Er zog daraufhin erst nach Cambridge, lebt aber seit 2021 in Portugal.
Sein Leben spiegelt sich in dieser Ausstellung wider: denn seine Überzeugung und seine Kritik an Systemen, Medien oder Ereignissen findet immer einen Weg in seine Kunst.
Als er ab 1983 in den USA lebte, waren Andy Warhol und Marcel Duchamp seine Vorbilder. Warhols Serie zu Mao war auch Vorbild seiner beide Mao Werke, die wir in dieser Ausstellung sehen können.
Diese sollen aber eher sein Umgehen mit den Materialien zeigen, die Malweisen. Denn als Vorlage nahm er Plakate, die in den 1960er-Jahren zu Propagandazwecken dienten. Er veränderte diese aber so, als ob sie wie eine Aufnahme eines Röhrenfernsehers aussehen oder wie auf Wellblech gemalt.
Mit dieser Mao-Serie verabschiedete er sich dann vom Malen. Er fühlte, dass die Objektkunst sein Weg der Auseinandersetzung mit wichtigen Themen war.
So entstanden unter anderem der „Schuhkreis“, den er selbst zusammenschusterte oder „Safe Sex“, ein Regenmantel mit Kondom, der eine Reaktion auf die seit den 80er-Jahren auftretende Aids Bedrohung ist.
Aus Geldmangel nutze er anfangs hauptsächlich Alltagsgegenstände.
Die frühen Jahre
Fuck
Die Serie „Fuck“ kannte ich bereits aus der Ausstellung in Barcelona im Palau de la Virreina. Damals war auch die Sagrada Familia Teil der ausgestellten Serie.
Die Serie, die auch „Study of Perspective/Perspektive Studie“ genannt wird, begann er 1993. Seitdem streckt er den Finger weltweit auf herrschaftliche und mächtige Gebäude. In Wien seht ihr unter anderem das Weiße Haus, den Eiffelturm und auch die Mona Lisa.
Das wichtigste Werk, dass ihn auch persönlich am meisten betroffen haben wird, ist der Mittelfinger, den er dem Platz des Himmlischen Friedens (Tian’anmen-Platz) zeigt. Denn hier fanden seit der Öffnung des Platzes 1911 immer wieder Proteste gegen das chinesische Regime statt, darunter auch das Massaker, das 1989 zahlreichen Studenten das Leben kostete. Dieses Massaker hat ihn persönlich sehr beschäftigt und er ist in den Folgejahren immer wieder zu diesem Platz zurückgekehrt. Auch in Begleitung seiner Frau, mit der er noch weiter Protest-Aktionen an diesem Ort durchführte.
Dieser spezielle Mittelfinger, der 2019 dort aufgenommen wurde, zeigt also auch ganz persönlichen Gründe: Ich bin weg, ich habe es geschafft, ich konnte raus aus diesem System!
Am 12. Mai 2008 erschütterte ein Erdbeben der Stärke 7,9 die Provinz Sichuan. Zwischen 70.000 und 90.000 Menschen starben, fast 6 Millionen Menschen wurden obdachlos.
Besonders betroffen waren leider Schulgebäude – 5197 Kinder starben. Aber warum? Ai reiste hin und stellte zusammen mit anderen fest, dass die Armierungseisen für diese Gebäude viel zu dünn waren. Sie konnten dem Erdbeben gar nicht standhalten! Ein Korruptionsskandal wurde aufgedeckt.
Ai interviewte die Menschen vor Ort. Er sammelte die Namen der Kinder, die in den Schulen gestorben waren und veröffentlichte diese auf seinem Blog. Unter anderem ein Grund warum dieser dann 2009 gesperrt wurde…
Und er sammelte Teil der Eisen ein. Diese machte er zur Grundlage der hier zusehenden Installation „Forge“ (was so viel wie Schmieden/Formen/Verfälschen bedeutet). Er verteilt die gekrümmten und gewobenen Eisen auf dem Boden. Zusammen mit dem Bild an der Wand sollen diese an Leben und Tod erinnern.
Forge
Panda an Panda
Der Panda geht fast schon unter… Man schenkt ihm zuerst keine Beachtung. Zu imposant ist das Lego-Gemälde Rubens (Raub der Töchter des Leukippos) aus Legosteinen daneben. Bis einem auffällt, dass auch dort ein Panda zu sehen ist. „Warum?“, denkt man sich dann und sucht doch im Audioguide nach einer Erklärung…
Von diesen Plüsch-Pandas gibt es 20 Stück, auf der ganzen Welt verteilt. Das Besondere an diesen ist, dass sie nicht einfach mit Watte gefüllt sind. Nein! Sie enthalten geschredderte Dokumente und eine digitale Speicherkarte der Dokumente Edward Snowdens!
Der Panda wurde gewählt, weil es das Nationalsymbol Chinas ist und er vom Aussterben bedroht ist, außerdem ist es das Synonym der geheimen Staatspolizei Chinas. So heißt das Werk „Panda an Panda“.
Snowden veröffentlichte die Geheimpapiere der NSA zur Überwachung der Internetkommunikation 2013. Aber wie kamen diese in den Bären? Die Reporterin Laura Poitras gab diese 2015 an Ai Weiwei und Jacob Appelbaum weiter. Sie schredderten dann alles und stopften alles in die Bären.
Ein informativer Wow-Moment für mich!
81 & S.A.C.R.E.D.
Dieses Werk spiegelt imposant seine Gefangenschaft wider, die am 3. April 2011 begann. Er wurde am Flughafen von der Geheimpolizei abgeführt, verschleppt und für 81 Tage gefangen gehalten. Dabei wurde er rund um die Uhr von 2 Polizisten bewacht. Sie standen stumm und immer sehr nah an ihm dran. Das Licht ging niemals aus. Das muss eine Tortur gewesen sein: nicht richtig schlafen zu können, nicht einmal allein zu sein (sogar im Badezimmer!) und dann das Ungewissheit, nicht genau zu wissen, warum man hier ist, wie lange das noch dauert und ob die Familie weiß, wo man steckt.
Diese Zeit hat er mit 2 verschiedenen Werken verarbeitet:
a) Das Werk „81“ ist eine begehbare Installation. Es ist der Raum, in dem er für 81 Tage festgehalten wurde. Ai hat ihn 1 zu 1 nachgebaut. Wir können nun hineingehen und so seine Zeit und sein Leiden etwas nachvollziehen.
b) Im zweiten Teil, der sich „S.A.C.R.E.D.“ nennt, sehen wir Ai sogar in Gefangenschaft. In 6 Boxen spielt sich das ab, was Ai in den 81 Tagen erlebt hat. Und wir können durch kleine Luken hineinsehen und Zeuge werden. Wir können sehen, wie Ai seine Gefangenschaft verbrachte. Die Situationen bilden den Namen des Werkes: denn Essen (supper: S), Beschuldiger (accuser: A), Reinigung (cleansing: C), Rituale (rituals: R), der Schlaf ähnliche Zustand (entropy: E) und der Zweifel (doubt: D) waren seine einzigen Begleiter.
Und da wir in die Boxen schauen, sind wir dann vielleicht so wie die Polizisten, die nicht von seiner Seite wichen?
Am 22. Juli 2011 wurde er auf Kaution und ohne Anklage freigelassen, der Pass wurde aber noch bis 2015 zurückgehalten.
Die Arbeit „S.A.C.R.E.D.“ wurde 2013 bei der Biennale in Venedig zum ersten Mal präsentiert. Er selbst konnte nicht anwesend sein, da sein Pass ja noch eingezogen war. Deswegen eröffnete seine Mutter seine Arbeit.
Das letzte Werk, dass ich aus dieser Ausstellung kurz beschreiben möchte, sind die 12 chinesischen Tierkreiszeichen.
Betritt man diesen Raum, muss man kurz innehalten: Es glänzt das Gold, die Schatten am Boden vergrößern alles und die bunten Bilder an der Wand sind Blickfänge. Der ganze Raum ist diesen Tierkreiszeichen gewidmet.
Aber was steckt dahinter?
Ai will auf die Frage „Was sind Kulturgüter?“ eingehen …
Vorbild seiner Köpfe sind Abbildungen des Tierkreisbrunnens in Yuanming Yuan, dem alten Sommerpalast in Peking. Ein Bereich war im Baracken Stil der Europäer errichtet und hier gab es eine Wasseruhr mit 12 Wasserspeier. Diese hatten menschliche Körper und Tierköpfe der chinesischen Tierkreiszeichen. Der Palast wurde 1860 zerstört und geplündert. Die Figuren verschwanden. Nach und nach sind sie aber wieder aufgetaucht und heute befinden sich sieben der zwölf Köpfe in chinesischen Museen.
Für Ai sind diese aber keine nationalen Schätze, sondern stehen unter westlichem Einfluss.
Er hat sie nun in seiner Art und Weise nachgebaut und das mehrfach: zuerst bildete er die Köpfe 2010 mit Bronze nach. Diese sind wurden auf 3 Meter höhe 2016 im oberen Belvedere-Park ausgestellt.
Auch im selben Jahr schuf er etwas kleinere vergoldeten Bronzeköpfe dieser Tierkreiszeichen. Diese sehen wir nun in der Albertina Modern.
Noch später setzte er diese in seinen Lego-Bildern um. Das Spannende: hier fließt auch die Arbeit der „Fuck-Serie/Perspektive“ ein. Denn die Tiere haben einen Hintergrund aus der eben genannten anderen Arbeit: Das Schwein den Eiffelturm, die Schlange das Kolosseum, das Pferd den Reichstag und so weiter.
Tierkreiszeichen
Fazit
Für mich eine sehr gelungene Ausstellung, die nicht nur „schön“ anzusehen ist, sondern auch in die Tiefe geht.
Wer die Kunst Ai Weiwei kennt und mag, der sollte sich die Ausstellung auf jeden Fall ansehen. Wer politisch oder ideologisch nicht auf einem Nenner mit ihm ist, sollte sich doch auch einen Ruck geben. Denn Kunst ist zwar politisch – gerade bei ihm, aber eben nicht nur.
Eure Céline
Text- und Bildrechte: © Céline Mülich, 2022
Mit Genehmigung der Albertina Modern