Marmottan Monet
Face au Solei
Marmottan Monet
Face au Solei
Von Dürer bis Miró
Face au soleil. Un astre dans les arts
Face au soleil. Un astre dans les arts (Der Sonne entgegen. Ein Star in der Kunst)
Ausstellung im Musée Marmottan Monet
noch bis zum 29. Januar 2023
„Gesicht zur Sonne“ oder „Der Sonne zugewandt“ – so könnte man den Titel der Ausstellung übersetzen, die noch bis zum 29. Januar 2023 im Musée Marmottan Monet zu sehen ist. Sie wurde gemeinsam mit dem Museum Barberini in Potsdam kuratiert und wird vom 25. Februar bis zum 11. Juni 2023 dort unter dem Titel „Sonne. Die Quelle des Lichts in der Kunst“ gezeigt.
Hol dir auf jeden Fall den Audioguide. Er gibt dir nicht nur Infos zur Sammlung, sondern auch zu dieser Ausstellung und verrät dir viele interessante Fakten, die nicht in den Beschreibungen stehen. Es gibt ihn leider nur auf Französisch, Englisch und Japanisch, aber in der englischen Version wird sehr langsam und deutlich gesprochen, es ist gut zu verstehen.
Face au Soleil
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Face au soleil
Im Mittelpunkt steht Monets Meisterwerk „Impression, soleil levant“ (Impression, Sonnenaufgang). Es ist das Herzstück der Sammlung des Museums.
150 Jahre ist es her, dass Monet die Ansicht des Hafens von Le Havre malte. Kunstexperten – darunter ein Astrophysiker – haben sogar herausgefunden, wann exakt das Bild gemalt wurde! Es war der 13. November 1872 um 7.35 Uhr morgens. Wie ist das möglich? Durch jahrelange Forschungsarbeit. So wurde zum Beispiel rekonstruiert, wie der Hafen von Le Havre damals aussah. Die Schleuse ist auf dem Bild geöffnet, was nur sehr selten der Fall war. Es herrscht Flut. Auch Hinweise auf die Windrichtung konnten gefunden werden. Und so wurden Tag und Uhrzeit immer weiter eingegrenzt, bis die Wissenschaftler sich schließlich festlegen konnten.
Insgesamt werden 100 Werke gezeigt, zur Verfügung gestellt von verschiedenen Museen und private Sammler aus der ganzen Welt.
Entlang der Gemälde, Zeichnungen, Fotografien und Objekte wird die Geschichte der Wahrnehmung, Abbildung und Erforschung der Sonne von der Antike bis zur Gegenwart erzählt.
Den buchstäblichen „Rahmen“, bilden zwei zeitgenössische Künstler. Die Ausstellung beginnt mit „Rising Sun #1476“ (2022) von Vicky Colombet und „Le Soleil inonde ma toile“ (Die Sonne überflutet meine Leinwand) (1966) von Gérard Fromanger. Sie endet mit einem weiteren Werk von Fromanger, das den gleichen Namen trägt wie das Herzstück von Monet: „Impression, soleil levant“ (2019)
In der Antike wurde die Sonne selbst als Gottheit verehrt. Der griechische Sonnengott Helios auf seiner Quadriga, der ägyptische Sonnengott Ra in einem Boot oder Apollo, der Gott des Lichts, repräsentierten die lebensspendende Kraft dieses zentralen Sterns in unserem Sonnensystem. Eine Tatsache, die damals natürlich noch völlig unbekannt war. Eine strahlende Macht, die sich regelmäßig zeigt und so blendend hell ist, dass man die Augen niederschlagen muss, konnte nur ein Gott sein.
Erst Ptolemäus (2. Jh. n. Chr.), der Platon und Aristoteles folgend, das geozentrische Weltbild prägte, entwickelte erstmals eine fundierte wissenschaftliche Betrachtung der Sonne. Eine enorme wissenschaftliche Leistung und dennoch gewissermaßen ein Rückschritt, denn plötzlich war die Sonne kein allmächtiger Herrscher mehr: die Erde rückte in den Mittelpunkt. Damit einher ging der Aufstieg der „Religionen des Buches“, zu denen auch das Christentum gehört. Die Sonne wurde vom Gott, dem Schöpfer des Lebens, zum Geschaffenen.
Es dauerte weitere 1400 Jahre, bis Kopernikus das heliozentrische Weltbild prägte und die Dinge, wissenschaftlich gesehen, wieder „ins rechte Licht“ rückte, bestätigt durch Galileos Beobachtungen mit dem Teleskop.
Und die Religionen? Die Verbindung von beidem zieht sich durch die Ausstellung. Sehr einprägsam verkörpern dies die beiden nebeneinander hängenden Gemälde „L’adoration des bergères“ (Anbetung der Hirten) (1617) von Gerrit van Honthorst und „L’Astronom“ (1655) von Lucas Giordano. Auf dem Ersten steht das Kind in der Krippe im Mittelpunkt, aller Glanz geht von ihm aus. Auf dem Zweiten steht die Sonne im Mittelpunkt, auf ihr liegt der Glanz, ebenso aber auf dem Gesicht des Astronomen, der fragend zum Himmel schaut.
Nur 12 Jahre nach Entstehung dieses Bildes gründete Ludwig XIV. das astronomische Observatorium von Paris. Er förderte die Wissenschaft, ließ sich aber zugleich als König von Gottes Gnaden verehren. Als 15-jähriger (er wurde ja als Kind schon König) trat er im Louvre im Ballet Royal de la Nuit auf – und zwar als Sonne (so entstand auch der Beiname „Sonnenkönig„). Ein Jahr später zeigt er sich, in einem weiteren Ballettstück, als Apollo.
Mit dem Fortschritt der Wissenschaften und den Möglichkeiten zur Beobachtung der Himmelskörper entwickelte sich auch die Darstellung der Sonne in der Kunst.
Die Landschaftsmalerei kam auf und die Künstler fingen die verschiedenen Lichtstimmungen ein, die zu unterschiedlichen Tageszeiten entstanden. „Le soleil couchant à travers la vapeur“ (Sonnenuntergang im Nebel) (1809) oder „Terrasse à Mortlake“ (1827) von William Turner, „Le Havre. Coucher de soleil sur la mer“ ( Le Havre. Sonnenuntergang über dem Meer) (1865) von Eugène Boudin, „Soleil couchant“ (1876) von Gustave Courbet, „Vue de Bazincourt, effet de neige, soleil couchant“ (Ansicht von Bazincourt, Wirkung des Schnees, untergehende Sonne) (1892) von Camille Pissaro sind Beispiele. Inmitten davon findest du Monets Meisterwerk.
Aber selbst die Zeit der Aufklärung ab 1720 (französisch: „siècle des lumières„- Jahrhundert der Lichter) und die Entwicklung der Astrophysik im 19. Jahrhundert konnten die Darstellung der Sonne als mystische Kraft nicht stoppen. Die Verbindung des Menschen zum Unendlichen, die spirituelle Erfahrung, war weiterhin präsent.
Das prominenteste Beispiel: Caspar David Friedrich. „Kreuz im Wald“ (1812) stellt ein religiöses Symbol in den Mittelpunkt und „Ostermorgen“ (1828/1835) trägt den christlichen Feiertag zumindest im Titel.
„Die Sonne“ (1910 bis 1913) von Edvard Munch ist eines von elf Gemälden, die er schuf, um sich für die Dekoration der Aula der Universität von Oslo zu bewerben. Die Strahlen der Sonne breiten sich über dem Himmel aus – in Form eines Kreuzes. Eine naturgetreue Abbildung sieht anders aus… Munch war bekannt dafür, dass er sich für Wissenschaft und Spiritualität gleichermaßen interessierte.
Fun Fact: Dasselbe Motiv hängt derzeit auch im Musée d’Orsay! Dort findet derzeit die Munch Ausstellung „Ein Gedicht über Leben, Liebe und Tod“ statt.
1915 schließlich markierte eine erneute Zeitenwende hinsichtlich der Beziehung zur Sonne: Albert Einstein veröffentlicht seine Relativitätstheorie. Sonne und Erde sind nun nur ein Stern und ein Planet unter Milliarden. Das Universum ist kein festes Gebilde, sondern ständig in Bewegung und im Wachstum.
Aus Mirós Reihe „Sternbilder“ ist hier „Frau und Vogel“ (1940) zu sehen, gepaart mit drei Mobiles von Alexander Calder, dessen Arbeiten mit den Konventionen der Bildhauerei brachen: vom Festen zum Beweglichen, dessen Elemente sich immer wieder neu anordnen. Gegenüber hängt die eingangs erwähnte Neuinterpretation Monets von Gérard Fromanger: ein Gemälde wie ein Vortex-Tunnel. Es gibt keinen sichtbaren Mittelpunkt und es ist unklar, welcher der Kreise „unsere“ Sonne darstellt.
Fazit
Für uns überraschend ist die Fülle der namhaften und „übergreifenden“ Künstler. Übergreifend sowohl in Zeit und Genre als auch Gattung.
Große Namen reihen sich aneinander und du bekommst zu dem noch eine Einführung in das komplexe Thema Sonne – in Form von wissenschaftlichen Untermalungen als auch Religiösen!
Die Ausstellung ist also sowohl für Kunstliebhaber als auch für Wissenschaftler geeignet.
Da gibt’s nur eins: Ab nach Paris und schaut euch gemeinsam diese Ausstellung an!
Text- und Bildrechte: © Céline Mülich. 2022 – 2024
Mit Unterstützung von Anne Okolowitz