Ausstellungen August 2022
in der Fondation louis Vuitton
Ausstellungen August 2022
in der Fondation louis Vuitton
Die zwei Ausstellungen
in der Fondation Louis Vuitton
Da dieser Artikel immer bei den aktuellen Ausstellungen der Fondation Louis Vuitton angezeigt wird, es sich in dem Bericht aber nicht mehr um die aktuelle Ausstellung handelt, werde ich diesen Absatz regelmäßig aktualisieren.
Die nächste Ausstellung in der Fondation Louis Vuitton ist:
POP FOREVER, Tom Wesselmann &…
16. Oktober 2024 bis 24. Februar 2025
Die hier beschriebenen Ausstellungen sind bereits beendet.
Ausstellung 1: – Beendet
La Couleur en fugue – Außer Kontrolle geratene Farbe
Ausstellung in der Fondation Louis Vuitton, Paris
noch bis 29. August 2022
Ausstellung 2: – Beendet
Simon Hantaï – L’Exposition du centenaire
Ausstellung in der Fondation Louis Vuitton, Paris
noch bis 29. August 2022
Anne hat für uns fast den ganzen Tag im Rausch von Architektur und Farbe verbracht! Denn in der Fondation Louis Vuitton gibt es seit Mitte Mai zwei neue Ausstellungen, die man nicht verpassen sollte! Daneben kann sich jedes Architektur-Herz auf das Gebäude der Stiftung freuen und danach könnte man einen Spaziergang durch die Bois de Boulogne machen oder die Kids mit dem Besuch des Attraktionen-Park Jardin d’Acclimatation belohnen.
Lest weite, wenn euch die Ausstellungen interessieren!
Fondation Louis Vuitton
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La Couleur en fugue – Außer Kontrolle geratene Farbe
Ausstellung in der Fondation Louis Vuitton, Paris
noch bis 29. August 2022
Der Titel der Ausstellung kann mit „Farbige Fluchten“, „Farbe auf der Flucht“ oder „Außer Kontrolle geratener Farbe“ übersetzt werden. Und genau so ist es auch.
Wer ordentlich gerahmte oder wenigstens auf eine Leinwand begrenzte Gemälde erwartet, wird enttäuscht – oder überrascht, je nach Sichtweise. Der ganze Raum dient als Leinwand. Die Werke erstrecken sich über alle Flächen der Räume! Eine wahre Farbexplosion!
Die Ausstellung versammelt Werke von fünf Künstlern verschiedener Generationen, Nationalitäten und künstlerischer Hintergründe: Sam Gilliam, Steve Parrino, Niele Toroni, Katharina Grosse und Megan Rooney.
Die beiden letzteren Künstlerinnen kreierten Auftragsarbeiten speziell für diese Ausstellung. Und die Werke der drei erstgenannten Künstler sind Stücke aus der Sammlung sowie Leihgaben privater Sammler oder öffentlicher Institutionen.
Wer mehr über diese farbenfrohe Ausstellung erfahren möchte, der liest jetzt hier weiter!
Ausstellung 1
La Couleur en fugue
Die Ausstellung
Die Künstler
Megan Rooney wurde 1985 in Südafrika geboren. Im Lauf mehrerer Wochen verwandelte sie einen Raum der Stiftung ohne vorherigen Entwurf in ein Werk mit dem Titel „Sonne“, in pastelligem gelb, orange, rosa und pink. Die Inspiration kommt aus ihrer Kindheit und Jugend – dem Garten ihrer Mutter in Rio de Janeiro und dem Haus der Familie im Toronto, dem die Mutter einen Anstrich in flamingo-pink verlieh. Ihr Ziel ist es nach eigenen Worten, den Betrachter „in die Farbe“ zu bringen und so die Architektur des Raums zu durchbrechen.
In „Galerie 9“ ergänzen sich Werke zweier Künstler: Sam Gilliam und Steven Parrino, beide aus den USA.
Sam Gilliam wurde 1933 geboren und wird der Washingtoner Farbschule zugeordnet (die Stadt, in der er auch bis heute lebt und arbeitet). Hier sind seine berühmten „Drape Paintings“ zu sehen. Dafür breitet er Leinwand auf dem Boden aus, beträufelt sie mit intensiv pigmentierter Farbe und arbeitet diese ein, so dass sie die Leinwand durchdringt. Dann faltete und knittert er die Leinwand und lässt sie trocknen. Schließlich wird der Stoff im Raum aufgehängt, was ihn an „zum Trocknen aufgehängte Wäsche“, aber auch an einen „Bühnenvorhang, der vom Zuschauer überwunden werden muss“ erinnert.
Steven Parrino, 1958 in New York geboren, will mit seiner Kunst die Grenzen zwischen Malerei und Skulptur überwinden. Die hier an den Wänden hängenden Werke stammen aus den Jahren ab 1981. Er bemalte Leinwände mit einer einzigen Farbe und bringt sie dann in unregelmäßiger Form, gefaltet und verzerrt, auf einen kreisförmigen oder rechteckigen Rahmen auf. Ergänzt wird die Kunst an den Wänden durch große, geknüllte, pink- und silberfarbene Stoffhaufen auf dem Boden. (Achtung: Überseht diese Stoffhaufen nicht beim Bewundern der Werke! Ich spreche da aus Erfahrung 😅).
Als Einflüsse gibt Parrino die Punk- und Bikerkultur an. Die Rohheit und Aggressivität, die in diesen Kulturen, wie auch in seinen „Objekten“ zum Ausdruck kommt, spiegelt die Gewalt in der amerikanischen Gesellschaft wider.
Der Künstler Niele Torroni, Jahrgang 1937, stammt aus der Schweiz. Er lebt und arbeitet in Paris und arbeitete – wie Simon Hantaï – mit Daniel Buren und Michel Parmentier zusammen. Seit 1966 benutzt er ausschließlich Pinsel mit 5 cm Breite, mit denen er kurze, flache Striche in nahezu viereckiger Form im regelmäßigen Abstand von 30 cm auf diverse Untergründe aufträgt – Leinwand, Papier, Wachstuch, Wände, Weinfässer… Auch wenn sein Werk durch dieses strukturierte Arbeiten sehr geordnet erscheint, so ist doch jeder Strich anders, individuell, und die Werke sind von Untergrund, Farbe, Farbqualität und Stärke des Auftrags geprägt. Die hier ausgestellten Werke umfassen einen Zeitraum von 30 Jahren (1967 bis 1997).
Die deutsche Künstlerin Katharina Grosse arbeitet nicht nur im Studio – sondern erstellt „maßgeschneiderte“ Werke für die Museen, von denen sie eingeladen wird. Was aber nicht heißt, dass sie sich in ihrer Arbeit als „Malerin“, irgendwelche Begrenzungen auferlegen lässt. Nicht einmal die, welche der Ort vorgibt. Ihr Werk „Splinter“ ist ein ziemlich großer Splitter, bestehend aus einer aufgefächerten Sperrholzkonstruktion und den leuchtenden Farben, mit denen sie diese und den ganzen Raum mithilfe ihres „Werkzeugs“, der Sprühpistole, gestaltet hat. Durch eine Schablone blieben Teilflächen auf Boden und Wand weiß, als ob die Sonne durch das Oberlicht hindurch Teile des Werks „ausgebrannt“ hätte.
Simon Hantaï – L’Exposition du centenaire
Ausstellung in der Fondation Louis Vuitton, Paris
noch bis 29. August 2022
Zum 100. Geburtstag des 2008 verstorbenen ungarisch-französischen Künstlers widmet die Fondation Louis Vuitton ihm eine Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit seiner Familie kuratiert wurde. Sie zeigt 150, zum Teil noch nie öffentlich präsentierte Werke.
Wer nun mit zeitgenössischer Kunst nicht so viel anfangen kann – wie Anne – wird vielleicht zunächst sagen: Gut, ich sehe hier also große Leinwände mit verschiedenen Farben und Mustern. Ziemlich abstrakt das Ganze… Und das ist es ja auch, nicht umsonst wird Hantaï der Richtung „Abstrakte Kunst“ zugeordnet.
Das bedeutet aber noch lange nicht, dass seine Kunst nicht konkret und anschaulich ist. Interessant wird es nämlich, wenn man sich darauf einlässt.
Ausstellung 2
Simon Hantaï
Wer war
Simon Hantaï?
Simon Hantaï wurde 1922 in Ungarn, nahe Budapest geboren, wo er auch Kunst studierte. 1948 kam er nach Paris und war zunächst dem Surrealismus zugetan.
1955 trennte er sich von der Surrealistischen Gruppe und wandte sich dem Abstrakten zu. Jackson Pollock wurde sein Vorbild. 1959 entwickelte er die Technik des „Faltens“ (pliage). Dabei faltete er die Leinwände und bemalte sie dann. Gerade hierfür gibt es in der Ausstellung wunderbare Beispiele. Seit 1966 wurde er zu einem der wichtigsten Vertreter der Strömung Support/Surface („Unterlage/Fläche“).
Er starb 2008 im Alter von 86 Jahren in Paris.
Infos zur Ausstellung:
bis 29. August 2022
Öffnungszeiten:
Montag, Mittwoch, Donnerstag: 11.00 – 20.00 Uhr
Freitag: 11.00 – 21.00 Uhr
Samstag & Sonntag: 10.00 – 20.00 Uhr
Eintritt: 22 €
DIE AUSSTELLUNG
SIMON HANTAÏ
Zum einen werden neben Hantaïs eigenen Werken auch die zweier Künstler gezeigt, die großen Einfluss auf seine Arbeiten hatten: Henri Matisse und Jackson Pollock. Durch die direkte Gegenüberstellung kommunizieren die Werke miteinander, sodass gewissermaßen der stumme Dialog, den Hantaï sicherlich während der Kreation mit seinen Einflussgebern führte, hörbar wird.
Auch Arbeiten von Michel Parmentier und Daniel Buren sind zu sehen. Hantaï freundete sich mit diesen zwei Künstler, als er in den 60er-Jahren sein Studio in der Cité des Fleurs, einer berühmten Villenstraße in Paris hatte, und die wiederum von ihm inspiriert wurden.
Buren, der einzige noch lebende Künstler von allen Genannten, gestaltete exklusiv für die Ausstellung die Installation „Mur(s) pour Simon, travaux in situ et en six mouvements“ (Wand / Wände für Simon, Arbeiten an Ort und Stelle und in sechs Bewegungen). Somit wird Hantaïs Werk in einen systemischen Zusammenhang gebracht, was es um viele Aspekte bereichert.
Zum zweiten kann man sehr gut die verschiedenen Schaffensperioden in der künstlerischen Entwicklung Hantaïs nachvollziehen.
1952 deponierte er anonym ein Kunstwerk vor der Tür von André Breton, einem der führenden Köpfe der Bewegung. Einige Tage später sah er es wieder – Breton hatte es in seiner Galerie aufgehängt, und zwar neben einem Werk von Marcel Duchamp, einem der Wegbereiter der Surrealismus. So begann Hantaïs Karriere.
Er experimentierte mit verschiedenen Techniken und entwickelte unter anderem die Falt-Methode. Er knüllte und faltete die Leinwand, trug Ölfarbe auf, entfaltete sie wieder und bemalte sie erneut. Diese Technik sollte auch in seinem späteren Werk immer wieder auftauchen.
1955 wandte er sich vom Surrealismus ab und der abstrakten Kunst zu – ab hier kommt der Einfluss von Pollock zum Tragen. Mit einem Metallteil, das er einem Wecker entnommen hatte, zerkratzte er die Farbe auf der Leinwand. Im Unterschied zu Pollock, lässt Hantaï aber oft eine – nahezu – einfarbige Fläche als „Rahmen“ stehen, sodass die Werke fast wie sehr fein ausgearbeitete Graffiti-Tags wirken.
Der dritte Aspekt, der die abstrakten Werke konkret werden lässt, sind die Details. Ein gutes Beispiel dafür ist „Écriture rose“, eines der ersten Werke aus der dritten Schaffensperiode, in der Hantai vom Pinsel zur Feder wechselte. Auf den ersten Blick und aus der Entfernung, sieht man eine hauptsächlich schmutzig-roséfarbene Fläche, mit ein paar kontrastierenden Farbspritzern und Formen. Wenn man jedoch näher herangeht, bemerkt man, dass der „schmutzig“ wirkende Effekt in Wahrheit Schrift ist. Auf der ganzen Leinwand brachte der Künstler, der sich nun auch immer mehr dem Katholizismus zuwandte (was sich u.a. am Kreuzmotiv zeigt, das in den folgenden Jahren immer wieder auftaucht), liturgische und philosophische Texte auf. Ein ganzes Jahr arbeitete er an diesem Werk, im Wechsel mit anderen Arbeiten, wie beispielsweise „À Galla Placida“, einem sehr dunkel anmutenden Gemälde, das durch ein großes Kreuz geprägt ist und bei dem auch wieder die Kratztechnik zur Anwendung kam.
Eine Art Gegenentwurf ist „Monogold“ ein hell goldschimmerndes Werk, andererseits aber auch wieder nicht, denn beide Bilder zeigen für ihn die Anwesenheit-Abwesenheit Gottes…Ein Zitat: „Es ist das NICHTS, in dem alles beginnt. Im Osten, überall, im Christentum oder anderswo, in der Rebellion oder im Atheismus, es ist immer dieselbe Entleerung, Verarmung, das Nackt werden, die notwendig sind. Zumindest müssen wir es versuchen.“
1960 wechselte er vom Schreiben wieder zum Pinsel und zur Falttechnik und entwickelte diese weiter, beginnend mit den Marians, seiner Hommage an die Madonnenbilder der Renaissance. Und während auf den ersten Blick so gar nichts an klassische Madonnengemälde erinnert, wird – hier kommen uns die Hintergrundinformationen in der App zur Hilfe – auf den zweiten Blick klar, dass ihn vor allem der schwarzblaue Mantel der Madonna von Giotto Ognissanti beeindruckt hatte, die er 1948 in den Uffizien bewunderte. Diese Farben prägen auch seine nächste Periode, die „Catamurons“ noch sichtlich, in der sich Einflüsse von Pollock (Raum) und Matisse (Farbe) mischen.
Es folgen noch acht weitere Perioden, mit sehr verschieden anmutenden Werken, mal heller und leichter, mal dunkler und intensiver, die Farben mal pastelliger und ungeordneter, mal leuchtend und klar strukturiert.
Wie der erste Teil der Serie „Tabulas“, die wirkt, als hätte Damien Hirst sie sich für seine Spot-Paintings zum Vorbild genommen (die übrigens nur wenige Jahre später entstanden). Diese Serie beendete Hantaï 1982 mit einem zweiten Teil, der das Verschwinden von Farbe, oder ihr Auflösen in Licht demonstriert.
Die „Lilac Tabulas“ enthalten keine lila Farbe, auch wenn es so wirkt. Das Auge des Betrachters unterliegt einer optischen Täuschung, die aus dem Kontrast zwischen der weißen, aufgetragenen Farbe und der unbearbeiteten, cremefarbenen Leinwand unter Einfluss des Tageslichts entsteht…
Das Verschwinden der Farbe korrespondiert mit Hantais Rückzug aus der Öffentlichkeit. Er begründete ihn damit, dass die Leute anfingen, Werke nach Vorgabe bei ihm zu bestellen, seinem Eindruck nach also die Bilder an seiner Stelle zu malen. Er sah seine Kunst in der Gefahr, zum „Objekt“ zu werden und sich so den Gesetzen des Marktes zu unterwerfen. 15 Jahre lang arbeitete er in seinem Studio in Paris und in seinem Haus auf dem Land, nahm teilweise alte Techniken wieder auf und kombinierte sie. Dabei ging er nicht gerade vorsichtig mit seinen Werken um: er trampelte auf ihnen herum, zerstörte sie teilweise, begrub sie und grub sie wieder aus – und begriff all dies als Teil seines künstlerischen Schaffens. Die in dieser Zeit entstandenen Werke wurden erst nach seinem Tod im Jahr 2008 ausgestellt.
Fazit
Die Ausstellung Hantai hat mich echt überzeugt! Vielleicht ist moderne Kunst doch nicht so langweilig, wie ich immer dachte. Wie die künstlerische Entwicklung und die Einflüsse, die andere auf Hantai hatten und die er auf andere hatte, nachvollzogen wurden – das war wirklich spannend! Und wie facettenreich er mit dieser Falttechnik gearbeitet hat. Auch fand ich es beeindruckend, dass er einfach gesagt hat „Nö, mache ich nicht“, als die Leute anfingen, bei ihm Bilder zu ordern. Er hätte damit bestimmt sehr viel Geld verdienen können.
Von den Fugues in Colour fand ich Katharina Grosse schon sehr beeindruckend, weil es so monumental war und aus meiner Sicht muss man enormes Talent haben, so eine Farbverteilung zu erreichen.
Eure Anne
Text- und Bildrechte: © Céline Mülich, 2022
Mit Unterstützung von Anne Okolowitz