Picasso
Rodin
Picasso
Rodin
Picasso - Rodin
2 große Künstler und ihrer Verbindungen
Picasso – Rodin
Ausstellung im Picasso Museum Paris + Museum Rodin
Juli – 2. Januar 2022
Noch bis zum 2. Januar 2022 ist im Picasso Museum und im Rodin Museum in Paris eine Sonderausstellung zu sehen, die den beiden Künstlern gemeinsam gewidmet ist. Doch was verbindet den spanischen Kubisten (1881 bis 1973) mit dem französischen Bildhauer (1840 bis 1917)?
Das Fazit der Ausstellung: so viel, dass es geradezu erstaunlich ist, dass gar keine Klarheit darüber herrscht, ob die beiden sich jemals persönlich getroffen haben.
Verbindung 1
Die Stadt - Paris
Zunächst einmal wäre da natürlich die Stadt, in der beide gelebt und gearbeitet haben. 1904 verlässt Picasso Spanien und zieht dauerhaft nach Frankreich. Mit diesem Land verband ihn so viel, dass er einen Großteil seiner Werke dem französischen Staat vermachte. Daher befindet sich die größte Picasso-Sammlung auch nicht etwa im Picasso-Museum Barcelona, sondern in Paris.
Auguste Rodin lebte und wirkte von 1906 bis zu seinem Tod 1917 im Hôtel Biron in Paris, einer Stadtvilla, die er übrigens auf Einladung von Rainer Maria Rilke zum ersten Mal besuchte und so entdeckte.
Verbindung 2
Unverständnis
Beide Künstler verbindet auch das Unverständnis der Öffentlichkeit und die harsche Kritik, die ihre Werke hervorriefen.
Picassos vielleicht berühmtestes Werk „Les Demoiselles d’Avignon“ mit seiner plakativen Nacktheit und diesem merkwürdigen Stil, der alle akademischen Regeln missachtete und bald als Kubismus weltberühmt werden sollte.
Rodins Statue von Balzac, von Emile Zola in Auftrag gegeben, an der er sieben Jahre lang arbeitete, und die bei ihrer öffentlichen Vorstellung 1898 sogar vom Auftraggeber abgelehnt wurde, Balzac sei ja kaum zu erkennen. (Erst 1939 wurde sie auf dem Boulevard Raspail aufgestellt).
Im Jahr 1900 organisierte Rodin im Rahmen der Pariser Weltausstellung eine Ausstellung für seine eigenen Werke am Place de l‘Alma. Picasso besuchte diese vermutlich im Oktober, denn er zeichnete zu dieser Zeit ein Porträt vom Rodin im Profil, gemeinsam mit zwei Robben, eine Anlehnung an die Karikatur, die Hans Lerche von einer Büste Balzacs angefertigt hatte.
Ein halbes Jahrhundert später zeichnete Picasso verschiedene Entwürfe der Büsten, eine der Zeichnungen ist sogar als „Balzac, nach Rodin“, benannt. Am 15. Januar 1901 erscheint eine Rodin gewidmete Ausgabe der Zeitschrift Pél i Ploma, darin auch eine Fotografie des „Denkers“. Picasso dekoriert damit eine Wand seines Ateliers in Barcelona.
Verbindung 3
artistische Bezugnahme
Die Unkenntlichkeit die Rodins Statue von Balzac auszeichnet, war natürlich beabsichtigt. Zum einen wollte er ja kein naturgetreues Abbild seines Gesichts schaffen, sondern seine kreative Stärke und seinen visionären Geist einfangen. Zum anderen kennzeichnete das „Unvollendete“ so gut wie alle seine Werke.
Ganz im Geiste Picassos, von dem folgendes Zitat stammt: „Ein Werk vollenden? […] So ein Unsinn! Es zu vollenden bedeutet, damit fertig zu sein, es zu töten, ihm die Seele zu rauben.“ Dass er dies auch umsetzte, ist beispielsweise an der 1906 entstandenen Büste seiner Lebensgefährtin Fernande Olivier mit nicht fertigt herausgearbeitetem Haar zu sehen. Rodin wie auch Picasso hatten übrigens den noch größeren Meister des Unvollendeten, Michelangelo, zum Vorbild.
Auch Picassos „Büste einer Frau“ scheint unfertig. Ein Gemälde, keine Skulptur. Und hier wird es besonders interessant: Sehr oft ließ sich Picasso nämlich offenbar von Rodin inspirieren, wählte dann aber ein anderes Genre, um seine Inspiration auszudrücken. Die Skulptur „Der sitzende Alte“ transformiert Picasso in die Skizze einer sitzenden jungen Frau.
„Der Kuss“ von Rodin und Picasso – gleicher Titel, einmal berühmte Skulptur, einmal nicht weniger berühmtes Gemälde und dreh und Angelpunkt dieser Ausstellung, sind ein weiteres Beispiel.
Die gleiche Transformation finden wir bei „Christus und Maria Magdalena“ von Rodin und „Die Kreuzigung“ von Picasso. So manches Mal wirken die Werke nebeneinander schon beinahe grotesk in ihrem Kontrast, ein Effekt, der den beiden Künstlern sicher gefallen hätte – hier Rodins elegante Gipsskulptur von Aphrodite, dort Picassos „Seilspringendes Mädchen“, eine Bronzeskulptur mit Ecken und Kanten.
Ist Rodins nackte Frau in antiker Vase noch eine Komposition verschiedener Materialien, die sich deutlich voneinander absetzen, so macht Picasso aus beidem eins, in dem er einen Frauenkörper in Form einer Vase modelliert und sie mit den berühmten Streifen verziert, die er selbst in Form des ikonischen T-Shirts zu seinem Markenzeichen machte – wirklich ganz und gar nicht mehr antik anmutend.
Verbindung 4
Die Frauen
Ach ja, die Frauen: beide Künstler waren von der weiblichen Nacktheit fasziniert, was sie nicht nur mit zahlreichen Ehefrauen, Freundinnen und Geliebten auslebten, sondern auch in vielfacher Weise künstlerisch zum Ausdruck brachten. Zur damaligen Zeit natürlich skandalös, vor allem in der ekstatischen Art und Weise der Darstellung, gar verbunden mit animalischen Elementen wie dem Minotaurus oder Zentaur, die auch bei Rodin nicht mehr klassisch-antik gedieh, wie man es dem „Kuss“ zumindest noch zuschreiben konnte.
Verbindung 5
Krieg, Tod, Verderben
Für etliche Skandale sorgte auch die Darstellung von Krieg, Tod und Verderben. Rodins „Höllentor“ wurde zum ersten Mal auf der Pariser Weltausstellung 1900 präsentiert, Picassos „Guernica“ auf der spanischen Weltausstellung 1937. Picasso malte sein Bild allerdings in wenigen Monaten als Reaktion auf die Bombardierung der gleichnamigen Stadt im spanischen Bürgerkrieg, während Rodin für sein monumentales Werk 37 Jahre benötigte…
Verbindung 6
Serien
Noch etwas, das die beiden Künstler verband: Serien. Sie fertigten oft zahlreiche Vorstudien und anschließend verschiedene Variationen ein- und desselben Motivs an, um die Seele des Werks auch wirklich zu erfassen. Rodins Büsten von Clemenceau sind ein Beispiel dafür, Picassos Nachbildungen von Delacroix‘ „Frauen von Algier“ ein anderes. Auch Balzac wurde von beiden in Serie porträtiert.
Verbindung 7
Die Natur
Rodin wie auch Picasso war die Natur eine große Inspiration. Sie arbeiteten gerne mit Ton und Gips und integrierten Rindenstücke, Muscheln oder Blätter in ihre Werke. Dies erscheint zunächst merkwürdig, stellte doch vor allem Picasso seine Modelle oft ganz und gar nicht „natürlich“ dar: Die Augen sitzen am Oberkopf, die Nase hängt am Mundwinkel… Es kommt jedoch dann zum Tragen, wenn er zum sogenannten Biomorphismus tendiert, also künstlichen Objekten organische Formen verleiht. Und, so kann man wohl sagen, auch umgekehrt, nämlich Körper dekonstruiert und damit Lebewesen künstliche Formen gibt.
Auch bei Rodins Skulpturen sind die Gliedmaßen oft unnatürlich verrenkt, wie es anatomisch in Wahrheit gar nicht möglich wäre. Gut zu sehen ist das an seinen Statuen „Die Kauernde“ (daneben Picassos „Sitzende Frau“) und „Die Innere Stimme“, (daneben Picassos „Die Schwimmerin“). Diese Verrenkungen sind auch der Tatsache geschuldet, dass der das Kunstwerk umgebende Raum für beide Künstler zum Werk dazugehörte, es mit konstituierte. Sie schlugen damit einen völlig neuen Weg ein, ganz anders als das, was man bisher von Monumenten kannte. Wahrscheinlich dauerte es auch deshalb oft mehrere Jahrzehnte, bis ihre Skulpturen tatsächlich im öffentlichen Raum den Platz fanden, der ihnen zugedacht war.
Abschluss
Schließlich zeigen die Ausstellungen auch Werke anderer Künstler wie Renoir und zwar deshalb, weil sowohl Rodin als auch Picasso nicht nur passionierte Künstler, sondern auch leidenschaftliche Sammler waren.
Picassos Werke dürfen wir hier aus rechtlichen Gründen eigentlich nicht zeigen. Wir haben uns aber nun in einigen Ausnahmen bewusst darüber hinweggesetzt, um dir die Verbindungen zu zeigen. Also Pssst 😉
Den Rest musst du dir selbst anschauen! Das bedeutet: auf nach Paris und besuche die Ausstellungen! Auch deshalb, weil man diese einzigartige Kombination von Werken der beiden Künstler wohl so schnell nicht wiederzusehen bekommt. Allein die riesige Skulptur des Denkers im Erdgeschoss des Picasso-Museums ist ein Hingucker! Am besten reist du, wenn möglich, solange die Touristenmassen noch nicht wieder über Paris herfallen und die Museen aus hygienischen Gründen nur eine begrenzte Anzahl von Besuchern empfangen dürfen. 😉
Text- und Bildrechte: Celine Mülich, 2021
Mit Unterstützung von Anne Okolowitz
Bildrechte Zusatz:
Picasso ist nicht rechtefrei und darf noch nicht verwendet werden.
© Picasso, Picasso Museum 2021