nach dem 1. Lockdown
Paris 2020
nach dem 1. Lockdown
Paris 2020
Paris erwacht nach dem
Coronavirus wieder zum Leben!
Dass die Pariser ein eigenwilliges Völkchen sind, wissen wir nicht erst seit gestern 😉 Egal ob vor oder nach Corona, sie haben ihre ganz eigenen Regeln. Als Neu-Pariserin muss man sich daran erst einmal gewöhnen – aber andererseits macht es auch den Charme dieser Stadt aus.
Kurz nach dem ersten Lockdown bin ich aber nach Deutschland “geflüchtet”, denn die Ausgangsbeschränkungen in Paris waren heftig. Ausgang gab es nur eine Stunde am Tag im Umkreis von einem Kilometer um die eigene Wohnung – und dann auch nur mit Passierschein. Trotzdem konnte ich es kaum erwarten, meine Traumstadt endlich wiederzusehen!
Just als die Außenbereiche der Cafés und Restaurants im Juni 2020 wieder öffnen dürfen, komme ich zurück. Ach Paris, wie hab ich dich vermisst!
Menschenleeres
Paris?
Den Einheimischen geht es offenbar genauso, denn fast jeder Stuhl vor den Lokalen ist besetzt. Der vorgeschriebene Meter Abstand gilt hier höchstens für die Tische und Masken tragen nur die Angestellten. Hier und da werden zur Begrüßung schon wieder die obligatorischen „bises“ verteilt.
Die Stadt der Liebe hat, wie es scheint, zunächst einmal das Schlimmste überstanden. Und das, obwohl es Paris, zusammen mit der Region Lothringen/Saarland, am härtesten getroffen hatte.
Aber es gibt sie natürlich trotzdem: die Maskenpflicht. Allerdings dürfen die Betreiber der Pariser Geschäfte selbst entscheiden, wie streng diese ist. Der Supermarkt um die Ecke, dessen Gänge so eng sind, dass kaum eine Person Platz hat, bittet per Aushang freundlich darum, eine Maske zu tragen – falls man krank ist.
In der Drogerie dagegen wacht ein Sicherheitsmann über die getrennten Aus- und Eingänge, “ohne Maske kein Zutritt und Hände desinfizieren ist obligatoire, bien sur”.
In der Metro herrscht strikte Maskenpflicht: Wer ohne erwischt wird, dem drohen 135 Euro Bußgeld. Während den heures de pointe (Rushour) muss außerdem eine Bescheinigung des Arbeitgebers mitgeführt werden. Der junge Musiker in der Metro fährt offensichtlich nicht zur Arbeit sondern während der Arbeit. Seine Maske hängt lässig unter dem Kinn, so dass sein Gesang, der eher zu wünschen übrig lässt, mögliche Viren fröhlich über die nächsten vier Sitzreihen verteilt…
Neben diesen charmanten Eigenheiten findet man in diesen Tagen in Paris eine Ruhe, die es so noch nie gegeben hat. Eigentlich ist die Stadt ständig in Bewegung. Staus, viele Menschen in der Metro, Touristen die an den Sehenswürdigkeiten anstehen, volle Bars – es ist immer und überall viel los. Wie ungewohnt muss es vor allem für die Alteingesessenen sein, ihre Stadt einmal ganz für sich zu haben!
Auf dem Vorplatz von Notre-Dame genießen die Geschäftsleute der umliegenden Büros ihre Mittagspause in der Sonne. Der hohe Bauzaun, der nach dem Brand vor gut einem Jahr errichtet wurde, nimmt der Fassade dieser beeindruckenden gotischen Kathedrale nichts von ihrer Strahlkraft. Auf dem Zaun angebrachte Tafeln informieren ausführlich über die Sanierungsarbeiten.
Am Ufer der Seine entlang geht es weiter zu den Tuilerien wo ich bei einem entspannten Spaziergang den Gärtnern beim Bepflanzen der Beete zusehe (und den Vögeln beim eifrigen Picken, sobald die Gärtner weitergezogen sind 😉 Am Imbisswagen genieße ich eine hervorragende frisch zubereitete Galette (herzhafte Variante des Crêpe) – ganz ohne das übliche Anstehen.
Einmal über die Straße und schon bin ich am Haupteingang des Louvre, wo sich normalerweise lange Schlangen bilden und die berühmte Pyramide unzähligen Touristen als Fotomotiv dient. Jetzt ist der Platz menschenleer, abgesperrt und bewacht. Ich freue mich schon so auf den 6. Juli, wenn das Museum endlich wieder öffnet und ich habe auch schon meinen Timeslot gebucht, was in den nächsten Monaten für alle Besucher Pflicht sein wird.
Am Arc de Triomphe gelingt es mir tatsächlich, mitten in der Rush-Hour ein Foto ganz ohne Autos zu machen! Locker fließt der Verkehr am größten Kreisverkehr Frankreichs, wo sich normalerweise um diese Zeit alles staut, wildes Gehupe und Gestikulieren inklusive. Weiter unten auf den Champs-Élysées kann ich für einen Schnappschuss mit Blick auf den Arc de Triomphe sogar kurz auf (!) der Fahrbahn stehen bleiben ohne mein Leben zu riskieren. Die Touristen-Hotspots wie das Lido haben natürlich noch geschlossen, zum Ausgleich dafür scheinen die Stores der großen Marken sich ein Wettrennen um die beste Schaufenstergestaltung zu liefern. Bei Louis Vuitton wird der Pride Month gefeiert, auch wenn die Pride Parade Ende Juni dieses Jahr leider ausfallen muss.
Ein kurze Metrofahrt mit der Linie 9 – mit Maske versteht sich – bringt mich zum Place du Trocadéro, einem perfekten Aussichtspunkt auf den Eiffelturm, normalerweise ebenfalls ein beliebtes Touristenziel – vor allem nachts, wenn der Turm von 300 Scheinwerfern golden beleuchtet wird und 20.000 Lämpchen zu jeder vollen Stunde wie Diamanten funkeln! Durch die Trocadero-Gärten geht es über die Pont d’Ièna zum Marsfeld – vorbei an den diversen Ein- und Aufgängen zum Turm. Auch hier herrscht, abgesehen von ein paar Joggern und Kids, die noch nicht wieder zur Schule müssen, gähnende Leere.
À propos Gähnen: nach meiner Tour durch die Stadt brauche ich dringend einen petit crème (Kaffee mit Milch in der nicht überteuerten Varianten). Trotz meines deutlichen Akzents werde ich von den Kellnern im nächsten Café überaus freundlich begrüßt. Ja, die Touristen – bald werden sie wieder in Scharen nach Paris strömen, und ich werde den Eindruck nicht los, dass selbst der eigenwilligste Pariser sich vielleicht sogar ein ganz klein wenig darauf freut.
Anmerkung 2021: Wie wir heute alle wissen, dauert die Pandemie immer noch an. Es kamen noch weitere Lockdowns auf Paris zu… Wir hoffen nun, dass es mit dem Start der Impfungen auch bald wieder Tourismus gibt!
Text- und Bildrechte: Celine Mülich, 2021
Mit Unterstützung von Anne Okolowitz