Matisse & Kelly
Fondation Louis Vuitton
Matisse & Kelly
Fondation Louis Vuitton
Ausstellungen in der Fondation Louis Vuitton
Henri Matisse & Ellsworth Kelly
Matisse: L’Atelier Rouge (Das rote Atelier)
+
Ellsworth Kelly: Formen und Farben, 1949–2015
+
Rendezvous mit dem Sport (im Zuge der Olympischen Spiele)
Ausstellungen in der Fondation Louis Vuitton
bis zum 9. September 2024
In diesem Jahr können wir in der Fondation Louis Vuitton eine kleine Ausstellung über ein besonderes Werk von Henri Matisse sehen. Diese Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Museum of Modern Art und dem Statens Museum for Kunst (Kopenhagen).
Wir haben die Ausstellung besucht!
Fondation Louis Vuitton
Tickets
Henri Matisse
Teil 1
Das Rote Atelier
Matisse
Einführung
Diese Ausstellung wurde bereits im Statens Museum for Kunst (Kopenhagen) gezeigt und kann nun noch bis zum 9. September 2024 in Paris betrachtet werden!
Es geht um die Entstehung und die Geschichte des berühmten Werks aus dem Jahr 1911 „L’Atelier Rouge“. Das Bild zeigt das Atelier des Künstlers. Er präsentiert hier seine Gemälde, Skulpturen und Möbeln, die er in dieser Zeit in seinem Atelier hatte. Das Besondere: in dieser Ausstellung werden die dort aufgezeigten Werke ebenfalls gezeigt! Und das zum ersten Mal seit sie dieses Atelier in Issy- les-Moulineaux verlassen haben!
Wir halten das für eine tolle und ungewöhnliche Idee für eine Ausstellung.
Daneben werden auch Archivmaterial und verwandte Gemälde und Zeichnungen gezeigt, sodass die Ausstellung nicht zu klein wird.
Was zeigt die Ausstellung?
Erstmals seit 1993 ist „Das Rote Atelier“ wieder in Frankreich zu sehen. Aber dieses Mal nicht allein, denn 10 der 11 Kunstwerke, die Matisse in das Bild hineinmalte, so wie sie eben 1911 in seinem Studio standen und hingen, sind ebenfalls ausgestellt! Eine Meisterleistung des Kuratoren-Teams, wenn du uns fragst, denn sie wurden wirklich aus aller Welt zusammengetragen: von Museen in Kopenhagen, Toronto, New York, Basel, Köln und auch von privaten Sammlern.
Es handelt sich um sechs Gemälde, einen Keramikteller sowie drei Skulpturen, die Matisse in den 13 Jahren vor der Entstehung des „Roten Ateliers“ geschaffen hatte. Die Gemälde sind im Einzelnen:
Korsika, Die Alte Mühle (1898)
Le Luxe (II) (1906)
Der Junge Seemann (II) (1907)
Badende (1907)
Die Nackte mit dem weißen Schal (1909)
Alpenveilchen (1911).
Ein siebtes Gemälde betrachtete Matisse als unvollendet und verfügte daher, dass es nach seinem Tod zerstört werden solle. Das ist ebenfalls in der Ausstellung dokumentiert.
Der Keramikteller zeigt einen Akt in Blau auf weißem Hintergrund. Eine Skulptur aus Terrakotta, die Bronze Jeanette (IV) (1911) und eine weitere Bronzeskulptur in, nun ja, seeehr expliziter Pose, die Matisse schlicht „Dekorative Figur“ (1908) betitelte, vervollständigen die Sammlung.
Fun Fact: Die Frauen, die Matisse für seine Bronzen Modell standen, genügten wohl seinen Ansprüchen nicht ganz, daher retuschierte er seine Darstellungen einfach. Die „Dekorative Figur“ ist im Vergleich zum Modell schlanker und eleganter wiedergegeben und die Haare sowie die Nase der Jeanette wurden auch ordentlich „modelliert“.
Das Interessante am „Roten Atelier“: die markante rote Farbe trug Matisse offensichtlich erst in einem letzten Schritt, kurzentschlossen, auf. Dazu gibt es ein spannendes Interview mit dem Konservierungsteam des MoMA (du kannst es dir hier online ansehen). Der Künstler selbst bemerkte dazu Folgendes: „Woher ich die Farbe Rot habe, kann ich nicht wirklich sagen. Ich finde, dass all diese Dinge … erst zu dem werden, was sie für mich sind, wenn ich sie zusammen mit der Farbe Rot sehe.“
Die erste Version des Bildes, das Matisse für Shchuckin malte, das „Rosa Atelier“, ist auch Teil der Ausstellung und gibt sein Studio wesentlich originalgetreuer wieder. Aber seinem Zitat nach zu urteilen, spielte die Original-Umgebung für Matisse weniger eine Rolle als die Tatsache, dass sich sein Studio-Porträt eben erst mit diesem knalligen Rot „richtig“ anfühlte.
In einem zweiten Raum werden weitere Gemälde, Zeichnungen und Scherenschnitte von Matisse gezeigt. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf „Large Red Interior“ (1948), an dem sich seine Entwicklung als Künstler gut ablesen lässt, entstand es doch ganze 37 Jahre nach dem „Roten Atelier“. Außerdem gibt es jede Menge Archivmaterial, wie Briefe und Urkunden zu sehen, um die Entstehung und die Reise des Bildes bis heute anschaulich zu machen.
Die Räumlichkeiten des ehemaligen Klosters Sacré-Coeur, in denen Matisse im Jahr 1909 lebte und arbeitete, waren nur gemietet und sollten verkauft werden. Dies zwang ihn, von Paris in den Vorort Issy-les-Moulineaux zu ziehen. Hier konnte er dank seines finanzstarken Sponsors Shchuckin ein recht großes Stück Land mit Garten erwerben und ließ dort ein Wohngebäude mit Studio errichten.
Zwei Jahre später bestellte Shchuckin drei Wandgemälde für seine Moskauer Residenz. Da Matisse in der Motivwahl freie Hand hatte, malte er einfach sein Studio und nannte es „Das Rosa Atelier“. Sein Auftraggeber lud ihn ein, Moskau zu besuchen, um sich den Ort, wo die Bilder hängen sollten, anzusehen. Nach seiner Rückkehr malte Matisse eine zweite Version des Bildes – „Das Rote Atelier“. Allerdings gefiel es Shchuckin nicht und er gab Matisse freundlich zu verstehen, dass er Gemälde mit figürlicher Darstellung bevorzuge, wie der Künstler sie ihm bei früheren Aufträgen geliefert hatte (u.a. eines seiner heute bekanntesten Gemälde, „Der Tanz“).
Der Künstler war gekränkt und sorgte dafür, dass das Werk zunächst nicht in Frankreich ausgestellt wurde. Im Herbst 1912 war es erstmals in London zu sehen, später auch in New York. 1927 später kaufte es der Londoner Nachtclubbesitzer David Tennant und es zierte 13 Jahre lang den Tanzsaal. Ende der 1930er-Jahre beauftragte Tennant eine Galerie mit dem Verkauf, die es 1945 wiederum an eine andere Galerie nach New York verkaufte.
1948 gelang es dem New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) nach zweijährigen Verhandlungen, das Bild zu erwerben. Ein Jahr später wurde es erstmals der Öffentlichkeit präsentiert und inspirierte seitdem Künstler und Kunstinteressierte gleichermaßen.
Wie entstand „L’Atelier Rouge“
und was passierte dann?
Henri Matisse wird 1869 in Le Cateau-Cambrésis im Norden Frankreichs geboren. Zunächst studiert er Jura und malt nur nebenbei, arbeitet sogar zeitweise als Anwaltsgehilfe.
Dann will er in Paris ein Kunststudium beginnen, fällt zweimal durch die Aufnahmeprüfung, schafft es schließlich im Sommer 1895 und studiert unter anderem bei Gustave Moreau. Gemeinsam mit André Durain entwickelt er den „Fauvismus“ genannten Stil mit kraftvollen Farben (inspiriert von islamischen Ornamenten) und kühnem Pinselschwung. Der Name kommt daher, dass ein Kritiker sie einmal „Les Fauves“ (die wilden Tiere) nannte.
1906 trifft Matisse den russischen Industriellen Sergei Ivanovich Shchukin, der sein bester Kunde wird. Im selben Jahr lernt er auch Picasso kennen (12 Jahre später gibt es eine gemeinsame Ausstellung in Paris). 1908 zeigt ein Pariser Salon seine erste Retrospektive, 1909 folgt eine große Einzelausstellung in Berlin.
Im selben Jahr zieht Matisse mit seiner Familie in den Pariser Vorort Issy-les-Moulineaux. Der Erste Weltkrieg zwingt ihn 1914 zurück nach Paris, denn sein Haus wird von der Armee beansprucht. Eine wahrhaft „dunkle Zeit“, wie sich auch in seiner Farbpalette zeigt, die deutlich düsterer wird.
Ende 1917 zieht Matisse nach Nizza, verbringt die Sommer aber weiterhin in Paris – und die Farben seiner Bilder gewinnen wieder an Lebendigkeit. Seine Karriere läuft und 1931 werden seine Werke in einer großen Retrospektive in New York ausgestellt.
Im Jahr 1943 zieht er wegen des Zweiten Weltkriegs nach Vence in der Nähe von Nizza. Er leidet an Magenkrebs und muss operiert werden, was zur Folge hat, dass er nicht mehr länger Zeit aufrecht vor einer Staffelei stehen kann. Daher wechselt er zur Technik der Scherenschnitte, die die zweite Schaffensperiode bis zu seinem Tod prägen.
Fünf Jahre später entwirft er die heute berühmte Rosenkranzkapelle für die Dominikanerinnen in Vence. Architektur, Wanddekorationen, Glasfenster, Möblierung: alles kommt von ihm. 1954 zeigt der französische Pavillon auf der Biennale in Venedig sechs Gemälde und die fünfteilige Skulpturenreihe „Jeanette“.
Im November desselben Jahres stirbt der Künstler im Alter von 84 Jahren in Nizza an einem Herzinfarkt.
Wer war
Henri Matisse
Ellsworth Kelly
Teil 2
Formen und Farben, 1949–2015
Ellsworth Kelly
Das „Rote Atelier“, das über 110 Jahre alt ist, wird außerdem als grundlegendes Vorbild für alle späteren Atelierdarstellungen andere Künstler erachtet. Ein Prüfstein sozusagen. Darunter auch für Ellsworth Kelly (1923–2015), der mit seiner Retrospektive Formen und Farben, 1949–2015 im gleichen Zeitraum in der FLV zu sehen ist. Seine Karriere erstreckt sich über sieben Jahrzehnte und ist durch die Unabhängigkeit seiner Kunst gekennzeichnet.
Diese Ausstellung über den amerikanischen Künstler Kelly zeigt seine Erforschung der Beziehung zwischen Form, Farbe, Linie und Raum anhand von Schlüsselwerken aus verschiedenen Perioden seiner Karriere.
Er gilt als einer der bedeutendsten abstrakten Maler und Bildhauer Amerikas. Mehr als 100 seiner Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen, Fotografien und Collagen werden auf zwei Etagen des Gebäudes präsentiert. Seine Ausstellung nimmt also sehr viel mehr Platz ein als die von Matisse!
Aus dem Lebenslauf, der zu Beginn präsentiert wird, ergeben sich gleich mehrere Anknüpfungspunkte an Matisse.
1964 besucht Kelly die Rosenkranzkapelle in Vence. 2002 waren Werke beider Künstler gemeinsam zu sehen, und zwar ebenfalls in Paris, im Centre Pompidou. Das Thema: Pflanzendarstellungen. Einige der Werke Kellys zu diesem Thema hängen nun auch in der Fondation Louis Vuitton. Am deutlichsten zeigt sich der Einfluss, den Matisse auf Kelly hatte aber wahrscheinlich an der Ausstellung, die Kelly 2014 kuratiert. Er wählt 45 eher unbekannte Matisse-Zeichnungen aus und fügt neun seiner eigenen Lithografien hinzu. Die expressive Linienführung des französischen Künstlers war es, die ihn am meisten inspirierte.
Aber auch Monet war eine Inspirationsquelle für Kelly. 1952 besuchte er dessen Studio und Garten in Giverny und malte danach „Tableau Vert“, das doch sehr an die Seerosengemälde erinnert und sich komplett von seinen anderen Werken abhebt (einen Kommentar von ihm selbst dazu gibt’s auf Instagram).
In einzigartiger Weise vermischt Kelly Skulptur und Gemälde, Farbe und Form, spielt mit Hintergrund und Raum, an, in oder auf dem die Werke präsentiert werden. Einen Höhepunkt (im wahrsten Sinne des Wortes), an dem das deutlich wird, ist sicherlich „Yellow Curve“ (1990). A propos Pflanzen…wer hat sich als Kind auch gern eine Butterblume unters Kinn gehalten, damit sie einen goldgelben Schatten auf die Haut wirft? So ähnlich ist der Eindruck, das Werk liegt nämlich auf dem Boden und taucht den ganzen Raum in gelbes Licht. In einer Vitrine davor kannst du den Entstehungsprozess nachvollziehen.
Rendezvous mit dem Sport
Teil 3
Im Zuge der Olympischen Spiele 2024 in Paris stellt die Fondation Louis Vuitton einige Werke der Sammlung aus, die einen poetischen oder etwas anderen Blick auf das Thema Sport legen. Von Galerie 9 bis Galerie 11 sind die Werke von französischen und internationalen Künstlern zu sehen.
Unter anderem:
Abraham Poincheval (1972, Frankreich)
Andreas Gursky (1955, Deutschland)
Roman Signer (1938, Schweiz)
Omar Victor Diop (1980, Senegal)
Jean-Michel Basquiat (1960 – 1988, USA)
Andy Warhol (1928 – 1987, USA)
Jean-Michel Basquiat et Andy Warhol, Olympic Rings, 1985
Collection Éditions Enrico Navarra
Credit : © Estate of Jean-Michel Basquiat Licensed by Artestar, New York, © The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. / Licensed by ADAGP, Paris 2024
photo credit : © Fondation Louis Vuitton / Saywho / Antoine Ayka Lux
Fazit
Matisses Meisterwerk mit den porträtierten Gegenständen im Original in einem Raum zu sehen – das war schon echt ein Gänsehaut-Moment.
Dafür allein finde ich, lohnt es sich, bis zum 9. September, wenn die beiden Ausstellungen enden, noch eine Paris-Reise einzuplanen (denk aber daran, dass vom 26. Juli bis zum 11. August die Olympischen Spiele stattfinden…).
Mit Kelly konnte ich persönlich nicht ganz so viel anfangen, fand aber die Inspiration durch Matisse und Monet spannend und auch sein Kunstverständnis (womit ich ihm das letzte Wort überlasse):
„Ich denke, was wir alle von Kunst wollen ist, dass sie uns Beständigkeit gibt, eine Art Gegenstück zum Chaos des alltäglichen Lebens. Das ist natürlich eine Illusion. Leinwand verrottet. Farbe verändert sich. Aber du strebst weiterhin danach, die Welt einzufrieren, als ob du sie dadurch für die Ewigkeit bewahren könntest. Ich habe versucht, die Realität des Wandels einzufangen, Kunst als eine offene, unvollendete Situation zu erhalten, den Rausch des Sehens anzudeuten.“
Eure Anne
Text- und Bildrechte: © Céline Mülich, 2024
Mit Unterstützung von Anne Okolowitz.
Ausnahme Bildrechte: Olympia-Bild von der Presseseite der Fondation Louis Vuitton