Das Pariser Studentenviertel
Quartier Latin
Das Pariser Studentenviertel
Quartier Latin
Quartier Latin
Das Pariser Studentenviertel
Am linken Seineufer hinter den beiden Inseln Île de la Cité und Île Saint-Louis beginnt das berühmte Pariser Studentenviertel Quartier Latin. Stätten der Wissenschaft, der Religion, der Kunst und Kultur, große Boulevards und romantische Gassen, imposante Architektur und grüne Oasen – hier findest du all das und noch viel mehr!
Die Sorbonne
Kurze Geschichte
Seinen Namen verdankt das Viertel der Tatsache, dass Studenten im Mittelalter ausschließlich auf Latein unterrichtet wurden. Robert de Sorbon, Theologe und Beichtvater von Louis IX., gründete die bekannte Pariser Universität Sorbonne im Jahr 1257. Sie diente zunächst als Ausbildungsstätte für Theologen.
Der in der Renaissance aufkommenden Tendenz zur humanistischen Umgestaltung des Bildungswesens folgte die Universität nicht, was sie als internationale Bildungsstätte ins Hintertreffen geraten ließ.
Den Umschwung brachte 1806 Napoleon, der die Fakultät der Künste und Wissenschaften wiedereröffnet.
1896 durchlief sie erneut eine Neuorganisation, die den Studenten mehr Mitspracherecht einräumte und auch Frauen zum Studium zuließ.
Nach den Studentenunruhen im Jahr 1968 teilte sie sich in 13 eigenständige Universitäten auf. Davon sind drei heute noch am ursprünglichen Standort erhalten und tragen auch die Bezeichnung Sorbonne im Namen.
Eine der berühmtesten Studentinnen war Marie Curie, die hier ihre Forschungen zum Element Radium durchführte, wofür sie schließlich den Nobelpreis erhielt. Sie liegt heute auch ganz in der Nähe im Pantheon begraben. Der heutige Campus für Medizin und Wissenschaft ist nach ihr und ihrem Ehemann benannt.
Start:
Ein schöner Ausgangspunkt für deinen Spaziergang durch das Quartier Latin ist der Place St. Michel (Metro 4, Saint-Michel Notre-Dame) mit dem Michaelsbrunnen, der im Zuge der Umgestaltung des Quartier Latin durch Haussmann im Jahr 1850 errichtet wurde. Die imposante Statue des Erzengels Michael im Kampf mit dem Teufel in Drachengestalt wird begrenzt von vier rosa Marmorsäulen. Der von dort quer durch das Viertel verlaufende Boulevard St. Michel ist neben dem längs verlaufenden Boulevard St. Germain eine der beiden Hauptstraßen.
1.
Wir schlendern nun noch an der Sorbonne vorbei, wenn wir uns hier schon die Geschichte dazu gegönnt haben! Dafür gehst du einfach die Rue Hautefeuille entlang und stößt genau auf die medizinische Fakultät. Dann gehen wir weiter nach links Richtung Boulevard St. Michel. Diesen kreuzen wir und biegen an der Rue Cujas links ab. Hier kommen wir an dem großen Sorbonne Komplex vorbei.
2.
Der Straße folgend treffen wir dann auf das Panthéon, ein neoklassizistischer Bau der einst von Louis XV. als Kirche zu Ehren der Pariser Schutzpatronin, der Heiligen Genoveva errichtet wurde. Ursprünglich bewahrte man dort ihre Reliquien auf, die jedoch während der Französischen Revolution vernichtet wurden. Die wunderschönen Fresken, die sie zeigen, sind dagegen erhalten geblieben. Die Revolutionäre entfernten allerdings auch alle religiösen Symbole und mauerten die Fenster zu, da sie das Gebäude in eine Grabstätte für verdiente Persönlichkeiten der Revolution umwandeln wollten. Kaiser Napoleon I. gab ihm wiederum seine Funktion als Kirche zurück, was nach dem Tod von Victor Hugo erneut rückgängig gemacht wurde. Nicht nur Marie Curie wurde hier bestattet, auch die Gräber Voltaire, Dumas, Rousseau, Zola und weitere französische Berühmtheiten befinden sich hier.
Als Highlight der Wissenschaft ist das Foucaultsche Pendel ausgestellt, das er 1849 in der Kuppel aufhing, um die Erd-Rotation nachzuweisen. Der Säulengang in der Kuppel bietet einen Panoramablick auf Paris und ist für Besucher zugänglich, allerdings nur im Rahmen einer offiziellen Führung. (Eine gute Alternative für die Aussicht ist die Dachterrasse des Institut du Monde Arabe, das sich, etwa 15 Fußminuten entfernt, ebenfalls im Quartier Latin befindet.) Die Kirche St. Étienne du Mont schräg gegenüber dem Panthéon ist noch einen Abstecher wert. Sie ist ebenfalls der Heiligen Genoveva gewidmet und hier steht auch ihr leerer Sarkophag. Sehenswert sind die Rundtreppen im Stil der Renaissance. Sie sind Teil des einzigen in Paris noch erhaltenen Lettner, der früheren Abtrennung zwischen Geistlichen und Gemeinde.
Lasst uns einen
Spaziergang machen!
3.
Nach dem Pantheon biegst du dann nach rechts in die Descartes ein, diese mündet in der Rue Mouffetard, unserem nächsten Ziel. Denn neben diesen Prachtstraßen ist das Viertel von vielen kleinen romantischen Gassen geprägt. Eine der schönsten ist dabei die Rue Mouffetard. Das bucklige Kopfsteinpflaster und die alten Häuser aus dem 16. Jahrhundert verströmen die Atmosphäre des “alten Paris”. Hemingway, der ganz in der Nähe wohnte, nannte sie “eine wundervoll enge, überfüllte Marktstraße”. Und du kannst auf seinen Spuren wandeln: Der Wochenmarkt am Vormittag (Dienstag bis Sonntag) bietet jede Menge kulinarische Highlights. Auch sonst gibt es viele Lebensmittelgeschäfte mit regionalen Genüssen und kleine Boutiquen unterschiedlichster Art. An den Nachmittagen und abends laden die Cafés, Restaurants und Kneipen zum Verweilen ein.
4.
Wir gehen jetzt erst einmal weiter – zur Großen Pariser Moschee. Sie wurde nach dem 1. Weltkrieg von der französischen Regierung errichtet, zum Dank an die muslimischen Soldaten (viele davon aus den Kolonien), die zahlreich im französischen Heer gekämpft hatten, rund 70.000 ließen dabei ihr Leben. Während des 2. Weltkriegs war der Imam Teil der Résistance und rettete vielen Juden das Leben, indem er ihnen gefälschte Papier ausstellte, die sie als Muslime auswiesen. Täglich außer freitags ist die Moschee für Besucher geöffnet. Frauen dürfen den Gebetsraum nicht betreten, dafür ist ihnen der Hammam vorbehalten. Zur Entspannung (für alle Geschlechter) lädt der wunderschöne Innenhof ein, türkis gepflastert und mit Palmen und Feigenbäumen bepflanzt. Bei Minztee und Gebäck aus dem Teesalon der Moschee lässt es sich hier wunderbar entspannen. Eine Oase der europäischen Art liegt übrigens gleich nebenan: Der Jardin des Plantes. Mehr über diesen findest du in unserem Artikel über die Parks in Paris.
5.
Nun gehen wir wieder zurück Richtiung Ausgangspunkt dieser Tour. Ziel ist das Musée de Cluny, auch Musée du Moyen Âge genannt und hier gibt es mittelalterliche Kunst zu sehen. Es besteht zum einen aus den Thermes de Cluny, ehemals wohl eines der größten römischen Thermalbäder, von denen heute vor allem das Kaltwasserbecken erhalten ist. Die Sammlung der Kunstwerke befindet sich im Hôtel de Cluny, errichtet zwischen 1485 und 1490 vom Abt von Cluny als Wohn- und Gästehaus. Einer der späteren Bewohner, der Archäologe und Kunstsammler Alexandre du Sommerard trug zahlreiche Kunst- und Alltagsgegenstände aus dem Mittelalter zusammen. Auf dieser Basis wurde nach seinem Tod 1842 das Museum eröffnet, im Lauf der Zeit kamen viele weitere Exponate dazu. Heute sind Malereien, Skulpturen, Kleidung, Gold- und Elfenbeinarbeiten sowie liturgische Gegenstände aus vielen verschiedenen Ländern zu sehen. Das Highlight ist wohl der sechsteilige Wandteppich “La Dame à la Licorne” (Dame mit Einhorn) aus dem 15. Jahrhundert. Fünf Teile thematisieren jeweils einen menschlichen Sinn. Was der sechste Teppich darstellt, darüber darf jeder selbst spekulieren – zu sehen ist, wie die Dame ihren Halsschmuck in eine Schatulle legt, die geheimnisvolle Inschrift lautet: “Mein einziges Verlangen”.
Achtung: Derzeit ist das Museum wegen Renovierungsarbeiten geschlossen! Die Wiedereröffnung ist für Anfang 2022 geplant.
6.
Hast du noch Energie? Da das Quartier Latin das Studentenviertel ist, kann man hier natürlich auch ordentlich feiern. Bekannt für ihr aktives Nachtleben sind die Rue de la Harpe und die Rue de la Huchette mit dem legendären Jazzclub Caveau de la Huchette, aber auch in den kleinen Straßen und Gässchen rundherum gibt es jede Menge Pubs und Bars, die zu einer Kneipentour einladen.
Santé!
Apropos Hemingway: Er war nicht der einzige Schriftsteller, der im Quartier Latin lebte und arbeitete, auch Klaus Mann, Honoré de Balzac, William Faulkner und viele bekannte Künstler anderer Sparten versammelten sich hier. Der Buchladen Shakespeare & Company (37 Rue de la Bȗcherie) sowie das Café de Flore (172 Boulevard Saint-Germain) und Les Deux Magots (6 Place Saint-Germain de Prés) waren Treffpunkte, in denen man heute noch den Geist der berühmten französischen Intellektuellen atmen kann. Diese befinden sich aber alle in einem anderen Teil des Quartier Latin.
Text- und Bildrechte: © Céline Mülich, 2021 – 2024
Mit Unterstützung von Anne Okolowitz